1200 Euro im Monat. Drei Jahre lang. Steuerfrei. Geschenkt. 120 Leute sollen in diesen Genuss kommen. Heute um Mitternacht endet die Bewerbungsphase für das "Pilotprojekt Grundeinkommen". Die Studie will Grundlagenforschung betreiben: Werden wir fauler oder motivierter, wenn wir 1200 Euro sicher in der Tasche haben?
Bis zum 10.11.2020 um Mitternacht können sich Interessierte für eine Teilnahme bewerben. Sie bekommen dann drei Jahre lang jeden Monat 1200 Euro. Finanziert wird das Ganze von rund 140.000 privaten Spenderinnen und Spendern.
Der Verein "Mein Grundeinkommen e.V." hat in den letzten Jahren bereits – für eine bestimmte Zeit – hunderte Grundeinkommen verlost. Nun wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit an Bord geholt, um "Grundlagenforschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen" zu machen: Beteiligt am Pilotprojekt Grundeinkommen sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die Universität Köln sowie das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern.
Was ein Grundeinkommen mit uns macht
Die Studie will herausfinden, wie wir uns verändern, wenn wir eine bestimmte Geldsumme sicher auf dem Konto haben. Hier seien viele Fragen offen, sagt Jürgen Schupp vom DIW. Es sei zu klären, ob die Menschen träge und faul werden – oder sich im Gegenteil eher ermutigt fühlen, Neues auszuprobieren.
"Werden die Menschen satt und faul? Oder werden sie vielleicht sogar motiviert, Neues zu unternehmen? Etwas an ihrem Job zu verändern, sich zu qualifizieren, sich selbstständig zu machen? Das sind offene Fragen."
Neben dieser wirtschaftlichen Seite sollen aber auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Probandinnen und Probanden untersucht werden – also zum Beispiel, ob sie besser schlafen und weniger Ängste vor materiellem Absturz haben.
Etwa 120 Menschen werden ausgelost
Aus allen, die sich bewerben, werden zunächst 20.000 Menschen ausgewählt. Es soll eine möglichst bunte Mischung sein, die auch die Gesellschaft in Deutschland widerspiegelt. Diese 20.000 Menschen bekommen dann einen Fragebogen. Schließlich werden ungefähr 120 Personen ausgelost, die das Grundeinkommen dann auch wirklich bekommen: 1.200 Euro jeden Monat, 3 Jahre lang. Geplanter Start ist nächstes Frühjahr.
Wer zu den Auserwählten zählt, muss alle sechs Monate einen Online-Fragebogen ausfüllen. Sonst wird das Grundeinkommen nicht weiter ausgezahlt. Hundert Prozent bedingungslos ist es also doch nicht. Zusätzlich gibt es eine Kontrollgruppe, etwa 1.400 Leute. Diese bekommen kein Geld, sind aber für die Ergebnisse der Studie genauso wichtig – um die Vergleichbarkeit herstellen zu können.
Positive Rückmeldungen
Die Wissenschaft hat noch viele Wissenslücken zu schließen. Die Rückmeldungen der Menschen, die schon ein Grundeinkommen bekommen haben, sind aber überwiegend positiv. In Finnland etwa lief das größte europäische Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen. Die abschließende Bewertung des Projekts zeigte positive Gesundheitseffekte, aber kaum Arbeitsmarkteffekte.
"Also ich bin mehr bereit, wirklich auch was auszuprobieren. Das Grundeinkommen hat mir einfach da insofern den Kopf frei hat, dass ich keine Angst haben muss, am Hungertuch zu nagen oder so."
Anfang des Jahres haben wir mit Jonas gesprochen, der von "Mein Grundeinkommen e.V." zeitweise 1000 Euro im Monat bekam. Es habe ihm geholfen, nicht nur an den Job zu denken, sondern sich auch ein Stück weit selbst zu verwirklichen, hat er uns erzählt. Er wollte zum Beispiel anfangen, ein Tiny House zu bauen. Fauler sei er nicht geworden, nur weil er das geschenkte Geld on top hatte.
Gerade in Corona-Zeiten könnte ein Grundeinkommen vielen Menschen helfen. Es gibt aber auch Schattenseiten. Wie viele Menschen würden ihre Arbeit aufgeben, weil sie mit dem Grundeinkommen zufrieden sind? Und wäre das gesamtgesellschaftlich überhaupt verkraftbar?
Über fünf Millionen Euro
Ein Grundeinkommen für 120 Menschen drei Jahre lang zu finanzieren, ist nicht billig. 43.200 Euro bekommt jeder Proband, 5.184.000 Euro sind es bei 120 Teilnehmenden. Je nachdem, was bei der Studie rauskommt, wollen die Forscher dann schauen, wie sich ein Grundeinkommen für alle finanzieren ließe.
In der im Frühjahr startenden Studie geht es zunächst um die Auswirkungen auf uns als Einzelpersonen. Folgestudien sollen sich dann anschauen, was das Grundeinkommen mit uns als Gesellschaft macht.