Durch intensiven Artenschutz gibt es mehr Berggorillas. Ein Problem ist also gelöst. Was jetzt fehlt, ist Platz. Der ist in dem Waldgebiet, wo sie leben, aber begrenzt. Daher heißt es: Suchen nach mehr Lebensraum.
Die Population der Berggorillas im Virunga Nationalpark hat sich erholt. Für den Artenschutz ist das mehr als eine gute Nachricht, erklärt Primatenforscherin und Artenschützerin Winnie Eckardt vom Dian Fossey Gorilla Fund. Derzeit gebe es keine andere Menschenaffen-Art in freier Wildbahn, deren Zahlen zunehmen würden.
Der aktuelle Bestand von über 600 Berggorillas sei daher ein einzigartiger Erfolg im Artenschutz. Zum Vergleich: In den 1980er-Jahren lebten weniger als 260 der Menschenaffen im Virunga Nationalpark, von dem Teile in der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda liegen.
Enger Lebensraum sorgt für Konflikte
Das Problem: Der Bestand der Berggorillas ist gewachsen, ihr Lebensraum jedoch nicht. Im Nationalpark leben die Affen auf einer erhöhten Waldinsel. Das Gebiet um die Waldinsel herum ist wegen seines fruchtbaren Bodens dicht von Menschen besiedelt. Damit die Zahl der Berggorillas weiter ansteigt beziehungsweise stabil bleibt, braucht es aber vor allem mehr Fläche, so die Primatenforscherin.
Denn: Der Platz ist besonders für die Dynamik zwischen den einzelnen Berggorillas-Gruppen entscheidend. In einer Langzeitstudie haben Winnie Eckardt und ihr Team herausgefunden, dass der Bestand der Berggorillas nicht nur nicht davon abhängig ist, wie viel Platz die Gesamtpopulation hat, sondern auch, wie sich die Berggorillas untereinander in Gruppen organisieren.
"Für sozial komplexe Tiere wie Berggorillas spielt die Gruppendichte eine entscheidende Rolle und bestimmt, ob und wie stark die Population anwächst."
Aufspaltung und höhere Sterberate
Über fünfzehn Jahre lang bestand die Virunga-Teilpopulation aus drei großen Gruppen. Die haben sich 2007 plötzlich aufgespalten. Aktuell zählen die Forschenden neun bis elf Gruppen derselben Teilpopulation. Gruppen spalten sich dann auf, wenn die dominanten Silberrücken älter und von den jüngeren Männchen ihrer Gruppe herausgefordert werden, erklärt sie.
Weil der 430 Quadratkilometer große Lebensraum der Berggorillas aber nicht mit der Zahl der Gruppen mitgewachsen ist, überschneiden sich die Nutzungsgebiete der einzelnen Gruppen teilweise stark, so Winnie Eckardt. Das führe unter anderem zu Kämpfen zwischen den Männchen, bei denen besonders viele Jungtiere sterben würden. In den letzten Jahren sei die Sterberate der Jungtiere um das Vierfache angestiegen und das Wachstum der Teilpopulation habe sich halbiert.
"Das heißt: Das Sozialverhalten unter den Gruppen, scheint das Populationswachstum stärker einzuschränken als zum Beispiel Nahrungsknappheit."
Wird der Schutzraum der Berggorillas in Zukunft nicht weiter ausgebaut, erreicht das Waldgebiet bald seine Kapazität an Gorillas, erklärt sie. Das könne entweder zu einem Wachstumsstillstand der Population führen oder der Bestand würde sich durch das aggressive Sozialverhalten der Gorillas natürlich regulieren und damit wieder abnehmen.
Die Suche nach mehr Lebensraum
Eine Möglichkeit, die Gruppen zu entzerren und damit den Lebensraum der Gorillas auf der Waldinsel auszuweiten, sieht die Artenschützerin in den Gebieten, die sich aktuell noch Wilderer zu eigen machen. Weil sie dort Fallen für ihre Antilopenjagd aufstellen, meiden die Berggorillas bestimmte Zonen der Waldinsel, beziehungsweise ist die Gruppendichte dort vergleichsweise niedrig, sagt sie.
Gerade weil die angrenzenden Flächen um das Waldgebiet aber so dicht von Menschen besiedelt sind, so Winnie Eckardt, ist es eine Herausforderung, den Lebensraum der Menschenaffen tatsächlich auszuweiten. Das Ziel der Artenschützerinnen und Forscher jetzt sei es, die Population stabil zu halten.