Mit dem Werbeboykott #StopHateforProfit prangern zahlreiche Unternehmen an, dass Facebook zu lasch gegen Hass und Hetze im Netz vorgeht. Die Plattform hat nun reagiert und hunderte Konten, Gruppen und Seiten des rechten Boogaloo-Netzwerks gelöscht. Wir klären, wer das ist, ob das etwas nützt und ob Facebook jetzt eine neue Strategie fährt.
Als Meme kursiert Boogaloo online bereits seit ein paar Jahren. Während der Corona-Krise sei jetzt aber ein deutliches Wachstum der Bewegung zu beobachten gewesen, sagt Jakob Guhl vom Institut für Strategischen Dialog (ISD) in London. Der 29-Jährige forscht dort unter anderem zu Hass und Radikalisierung im Internet.
"Eine sehr kuriose Mischung"
Die Vertreter der Boogaloo-Bewegung tragen häufig Haiwaiihemden, haben eine Vorliebe für Waffen und möchten einen zweiten amerikanischen Bürgerkrieg anzetteln. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen sie intensiv das Internet. Dort rufen sie zum Beispiel explizit zum Bürgerkrieg auf.
"Die Boogaloo-Bewegung ist eine sehr kuriose Mischung aus ironischer Internetkultur, rechtslibertärer Ideologie, Unterstützung des Rechts auf Waffenbesitz und einer tiefen Unzufriedenheit mit dem politischen System in den USA."
Die Bewegung sei kein reines Internetphänomen. In mehreren Fällen würden Anhänger auch strafrechtlich verfolgt – unter anderem wegen der Ermordung eines Security Guards vor einer Regierungsbehörde sowie eines Polizisten.
Spaltung innerhalb der Bewegung
Während der Black-Lives-Matter-Proteste, nach dem Tod von George Floyd, habe es innerhalb der Boogaloo-Bewegung eine Spaltung gegeben, so Jakob Guhl.
- auf der einen Seite Leute, die mit Black Lives Matter gegen die Polizei kämpfen wollten
- auf der anderen Seite die, die sich einen "race war" herbeiwünschen
Zwischen der Boogaloo-Bewegung und rechtsextremen beziehungsweise rechtsterroristischen Gruppen gebe es eindeutig Überschneidungen.
Facebook wird plötzlich aktiv
Facebook ist nicht gerade dafür bekannt, schnell gegen problematische Inhalte auf seiner Plattform vorzugehen. "Meinungsfreiheit" lautet meistens die Begründung. Weil sie zu einem zweiten Bürgerkrieg aufrufe, falle die Boogaloo-Bewegung allerdings "relativ eindeutig" unter Facebooks Definition einer "gefährlichen Organisation", sagt Jakob Guhl.
Interessant sei jedoch, dass sich Facebook bei der Sperrung auf ein spezifisches Netzwerk von Boogaloo-Accounts konzentriert habe – und zwar auf eines, in dem aktiv zu Gewalt aufgerufen wurde. Andere Boogaloo-Gruppen seien dagegen weiterhin auf der Plattform zu finden. Facebook setze seine eigenen Regeln nicht konsequent um, so Jakob Guhl.
"Das Problem sind – wie so häufig – weniger die Regeln von Facebook, als die konsequente und transparent nachvollziehbare Durchsetzung der eigenen Richtlinien."
Eine Recherche von NDR, WDR und BR hat gezeigt, dass es auch in Deutschland hunderte rechte Gruppen gibt, in denen regelmäßig mutmaßlich strafbare Inhalte geteilt werden. Gegen diese ist Facebook bisher kaum vorgegangen.
Folgen auch für Accounts in Deutschland?
Facebook habe in den letzten Jahren zwar schon deutlich mehr als vorher gegen Hassrede und Extremismus auf der eigenen Plattform unternommen. Die zielstrebige Durchsetzung bleibe aber eben nur "stückhaft". Gerade bei Inhalten, die nicht auf Englisch verfasst werden – etwa auf Arabisch – komme die Plattform bei der Moderation extremistischer Inhalte noch nicht wirklich hinterher, so Jakob Guhl.
Die aktuelle Boykottbewegung #StopHateforProfit, der sich in den USA bereits etliche große Firmen angeschlossen haben und die von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Bürgerrechtsorganisation angeführt wird, sorge dafür, dass Facebook viel weniger Geld mit Werbeanzeigen verdient. Langfristig könne es auch den Wert von Facebooks Aktien verringern.
#StopHateforProfit setzt Facebook unter Druck
Ob sich auch deutsche Firmen der Kampagne anschließen und Facebook damit zu einem konsequenteren Vorgehen gegen Hass und Falschinformationen bewegen können, werde sich zeigen, so Jakob Guhl.
Wenn soziale Netzwerke bestimmte Gruppen sperren, dann ist die Gefahr natürlich groß, dass diese Gruppen andere Wege suchen und finden, um ihre Inhalte zu verbreiten. Das sei eine große Herausforderung, so Jakob Guhl, denn es gebe in der Tat "ein ganzes Ökosystem an alternativen Plattformen", auf die extremistische Akteure ausweichen können. Die Reichweite auf diesen kleineren Plattformen sei aber messbar geringer.
"Die Reichweite auf kleineren Plattformen – und damit auch die Fähigkeit, in breitere Bevölkerungskreise hineinzuwirken – ist deutlich reduziert."
Es brauche eine breitere Diskussionen über die Rolle von Plattformalgorithmen bei der Förderung bestimmter Inhalte. Es deute immer mehr darauf hin, dass das Aufmerksamkeit maximierende Geschäftsmodell von Social-Media-Unternehmen vor allem emotionale und polarisierende Inhalte fördert. Hier sei die Politik gefragt – sie müsse eine stärkere Transparenz von Facebook und Co. bezüglich dieser Algorithmen einfordern.
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