Seit 73 Jahren ist der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes Menschen dabei behilflich, Informationen über Vermisste des Zweiten Weltkriegs zu finden. 2023 soll dieser Dienst nun eingestellt werden. Die Suche nach aktuell Vermissten, etwa nach Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, wird dagegen weitergeführt. Wer sucht heute noch nach Angehörigen und warum?

Als vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, hörten damit für viele Menschen Not und Verzweiflung nicht auf. Im Gegenteil: Familien waren auseinandergerissen worden. Geschwister, Eltern, Liebespaare oder Freunde suchten einander. In einer Zeit ohne Internet war das noch schwieriger als heute.

16 Millionen Menschen

Seit Kriegsende hat der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes rund 16 Millionen Menschen wieder zusammengebracht. Das DRK hat jetzt angekündigt, diesen Dienst ab 2023 einzustellen. Wer heute noch Angehörige sucht oder deren Schicksal aufklären will, muss das bis spätestens 31. Dezember 2021 tun. Das geht über ein Formular im Netz, aber auch persönlich bei einer DRK-Beratungsstelle.

Noch vergangenes Jahr, 2019, hätten sie 10.091 Anfragen erhalten, die Schicksals-Klärungen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg betrafen, sagt die Leiterin des DRK-Suchdienstes Dorota Dziwoki. Die Anfragen kommen von Angehörige von Kriegsvermissten: von Ehepartnern, Geschwistern, Kindern und Enkelkindern.

"Die Enkelkinder stellen die Anfragen oft im Namen ihrer Eltern oder Großeltern, weil diese manchmal das Internet scheuen."
Dorota Dziwoki, Leiterin des DRK-Suchdienstes

Kompliziert sei es nicht, eine Suchanfrage zu stellen, sagt Dorota Dziwoki. Es dauere aber manchmal einfach, bis der Entschluss dazu reift. Gerade wenn Jahrestage wie der 8. Mai kommen und sich sehr viele Sendungen mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und den Folgen befassen, erinnern sich viele Angehörige an das Schicksal ihrer Vermissten und möchten gerne Klarheit haben, so Dorota Dziwoki.

Sehnsucht nach Klarheit

War der vermisste Bruder in Kriegsgefangenschaft? In welches Lager wurde er verlegt? Woran ist er gestorben? Das Bedürfnis steige, je älter die Menschen sind.

"Je älter Menschen werden, desto größer ist deren Bedürfnis, mit der Ungewissheit abzuschließen."
Dorota Dziwoki, Leiterin des DRK-Suchdienstes

Erste Anlaufstelle für das DRK ist eine riesige Datenbank. Auch die Suchanfragen aus den Vierzigerjahren sind darunter, sie wurden inzwischen digitalisiert. Die Datenbank führt verschiedene Quellen zusammen, auch Dokumente und Informationen der Siegermächte wurden eingepflegt, etwa Personalakten aus Kriegsgefangenenlagern. Nach Prüfung sämtlicher zur Verfügung stehender Informationen kann das DRK der anfragenden Person am Ende eine Personalakte zukommen lassen. Aus der geht dann häufig die "traurige Gewissheit einer Grabstätte" hervor, sagt Dorota Dziwoki.

Hohe Erfolgsquote

Nicht immer, aber doch in den meisten Fällen könne das DRK klärende Informationen über den Verbleib des Vermissten weitergeben. Häufig seien Kinder und Eltern beziehungsweise Geschwister auch auf der Flucht getrennt worden. Manchmal waren sie auch noch zu klein und wussten gar nichts von der Existenz eines Bruders oder einer Schwester. Wenn dann noch eine Zusammenführung gelinge – nach 70 Jahren – bewege das auch die Mitarbeiter des DRK sehr, sagt Dorota Dziwoki. Und es zeige, wie wertvoll diese Arbeit ist.

"Manchmal begegnen sich Geschwister nach 70 Jahren zum ersten Mal."
Dorota Dziwoki, Leiterin des DRK-Suchdienstes

Doch in drei Jahren soll Schluss sein: "Ende 2023 wird der DRK-Suchdienst diese vom Bund finanzierte Aufgabe gemäß einer Vereinbarung mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) beenden", erklärt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt. Seit 1949 arbeitet der Suchdienst des DRK im Auftrag der Bundesregierung. Zuletzt war 2017 eine neue Suchdienstvereinbarung unterzeichnet worden – jährliche Fördersumme: 11,5 Millionen Euro.

Fokus auf Vermisste in aktuellen Konflikten

Ab 2024 soll der Fokus noch stärker auf die Suche nach aktuell Vermissten gelegt werden, etwa nach Flüchtlingen aus Krisen- oder Kriegsgebieten wie Afghanistan, Syrien und Somalia. Dieser Suchdienst wird weitergeführt.

Shownotes
75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
Wie der DRK-Suchdienst Weltkriegsvermisste aufspürt
vom 09. Mai 2020
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Dorota Dziwoki, Leiterin des Suchdienstes beim Deutschen Roten Kreuz (DRK)