Erfolge in Afghanistan? Danach brauche man nicht zu suchen, sagt Magdalena Kirchner. Die Landesdirektorin für Afghanistan bei der Friedrich-Ebert-Stiftung zeichnet ein düsteres Bild von der Lage des Landes.
Mit Aibak haben die Taliban in Afghanistan bereits die fünfte Provinzhauptstadt binnen weniger Tage erobert. Bereits zuvor nahm die Miliz unter anderem Taloqan, Zaranj und Sheberghan ein. Ihr größter militärischer Erfolg war am 8. August die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Kundus, die lange Zeit Bundeswehrstandort war.
"Der Rückhalt der Regierung in der Bevölkerung war schon sehr viel schwächer, als wir das angenommen haben", sagt Magdalena Kirchner und der Vorstoß der Taliban sei massiv. Die Landesdirektorin für Afghanistan bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) fürchtet eine humanitäre Katastrophe wie im Irak oder in Syrien. Zum Krieg kommen noch die Dürre und Coronavirus-Pandemie hinzu, erklärt die FES-Mitarbeiterin.
"Es gibt Hunderttausende Binnenvertriebene, die jetzt in die Hauptstadt kommen und eigentlich kein Auffangnetz dort haben."
Die Menschen in Afghanistan hätten nicht den Eindruck, dass sie ihrer Regierung etwas schulden, sagt sie. Deswegen würden Soldaten an den Frontlinien eher das Feld räumen, statt Gegenwehr zu leisten, ordnet die Stiftungsmitarbeiterin die Lage ein.
Der westliche Militäreinsatz am Hindukusch sei gescheitert. "In Sachen Stabilisierung und Staatsaufbau ist nichts aufgebaut worden, was dauerhaft bleiben oder gegen den Widerstand der Taliban nachhaltig sein kann", sagt Magdalena Kirchner
US-Luftangriffe
Seit dem Beginn des Abzugs der internationalen Truppen im Mai haben die Taliban bereits weite Teile des Landes eingenommen. Die US-Airforce unterstützt die afghanischen Regierungstruppen mit Bombardierungen, Drohnen- und Luftangriffen von Katar und von einem Flugzeugträger aus.
"Dass die Lücken, die die internationalen Truppen hinterlassen haben, so groß sind, das ist wirklich eine Überraschung. Damit hatte keiner gerechnet."
Zwar gebe es in Afghanistan demokratische Prozesse, Wahlen, einen Präsidenten oder ein Parlament. Allerdings sind die weitverbreitete Korruption und Vetternwirtschaft ein großes Problem.
Taliban vor Masar-e-Scharif
Die Islamisten rückten nach eigenen Angaben auch auf Masar-e-Scharif vor, den langjährigen Stützpunkt der Bundeswehr und die größte Stadt im Norden des Landes. Erst Ende Juni sind die letzten Bundeswehrsoldaten von dort abgezogen. Sollten die Taliban auch die wirtschaftlich bedeutsame Stadt einnehmen, wäre dies ein harter Schlag für die Regierung.
Als einzige Hoffnung bleibe, irgendwie ein Waffenstillstand zu erreichen - wenigstens in den Städten, sagt Magdalena Kirchner. Doch unter der afghanischen Regierung gebe es derzeit wenig Bemühungen um einen solchen Waffenstillstand.
"Auch die Regierung treibt eine Kriegs- und Verteidigungsrhetorik voran und ist noch nicht kompromissbereit."
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