Zum ersten Mal sind zwei indische Frauen im gebärfähigen Alter in ein wichtiges Hindu-Heiligtum gelangt. Das ist ihr gutes Recht und zugleich ein Signal für die indische Frauenbewegung.

In Indien sind Frau Bindu und Frau Kanakadurga nun berühmt. Als erste Frauen im Alter von unter 50 Jahren besuchten sie am 02.01.2019 den Sabarimala-Tempel im Südwesten des Landes. Erstmals ist es damit Frauen im gebärfähigen Alter gelungen, das Heiligtum zu betreten – Monate nach einem entsprechenden Urteil des obersten indischen Gerichts.

Zuvor hatten am Neujahrstag sehr viel Frauen in Südindien eine Menschenkette gebildet, um für ihr Recht zu demonstrieren. Nach Medienangaben war die Kette im Bundesstaat Kerala 620 Kilometer lang. Schätzungsweise haben hunderttausende Frau teilgenommen – die Times of India schreibt in ihrem Blog von Millionen.

"Das ist ein Tempel, von dem es heißt, dass die dort verehrte Hindu-Gottheit angeblich keine Frauen im gebärfähigen Alter erblicken mag."
Sabina Matthay, Korrespondentin für Indien

Bis sich die beiden Frauen Zutritt verschaffen konnten, waren weibliche Personen dieser Altersgruppe von radikalen Hindus wiederholt gewaltsam am Betreten des Gebäudekomplexes gehindert worden – die Polizei war machtlos. Auch die beiden Frauen, die nun erfolgreich waren, hatten es bereits zuvor versucht. Gegner des Urteils halten Frauen, die Kinder bekommen können, wegen der Monatsblutung grundsätzlich für unrein. Sie könnten die hier verehrte Gottheit Ayyappan verführen. Sie wird dort auch von Muslimen verehrt.

Eine machtvolle Demonstration für den Tempelbesuch

Der Sabarimala-Tempel im südindischen Bundesstaat Kerala ist eines der wichtigsten Heiligtümer des Hinduismus. Millionen pilgern jährlich zu dem Komplex, tief in einem bergigen Urwaldgebiet. Am 28.09.2018 gestattete das oberste indische Gericht, der Supreme Court in Delhi, Frauen grundsätzlich Zugang zu dem Tempel, um dort Ayyappan zu verehren. Das Recht, dort ihre Religion auszuüben, dürfe ihnen nicht genommen werden.

Bisher wurde das Heiligtum deswegen traditionell von Männern aller Altersgruppen, von Mädchen bis zu zehn Jahren und von Frauen über fünfzig besucht. 

Die beiden Frauen betraten den Tempel am frühen Morgen noch in der Dunkelheit und unter massivem Polizeischutz – mehrere hundert Beamte waren im Einsatz.

"Es ist, das sagen jedenfalls Feministinnen, ein echter Triumph für die Frauen und für die Gleichberechtigung."
Sabina Matthay, Korrespondentin für Indien

Unsere Korrespondentin glaubt dennoch nicht, dass Frauen im gebärfähigen Alter in Zukunft ohne weiteres den Sabarmimala-Tempelkomplex betreten können. Das widerspräche der Politik der hindu-nationalistischen Partei BJP. Die Gleichberechtigung der Frau werde von der Partei grundsätzlich nachrangig behandelt.

Unser Bild: Indische Frauen protestieren für die Öffnung des Tempels - eine Gegnerin des Gerichtsurteils (rechts).

Mehr zu Menschen-, Minderheits- und Frauenrechten in Indien bei Deutschlandfunk Nova:

Shownotes
Gleichberechtigung in Indien
Emanzipation im Hindu-Tempel
vom 02. Januar 2019
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartnerin: 
Sabina Matthay, Korrespondentin für Indien