Die Wiedervereinigung wird bald 30 Jahre alt, und SPD und CDU legen jetzt eine Agenda Ost auf. Paul Schäfer von der Jungen Union Sachsen erklärt, warum er das für ein gutes Signal hält.
CDU und SPD wollen neue Arbeitsplätze und mehr Rentengerechtigkeit für die ostdeutschen Bundesländern schaffen. Mit jeweils einer eigenen "Agenda Ost" möchten beide Parteien wohl auch ihre Wahlergebnisse in Ostdeutschland stabilisieren. Ende Mai finden Europawahlen statt, in Sachsen und Brandenburg werden am 01.September 2019 neue Landtage gewählt, in Thüringen am 27. Oktober 2019. Zudem steht 2019 ein Jubiläum an: 30 Jahre Mauerfall.
In dem CDU-Papier zum Beispiel steht, dass viele Regionen Ostdeutschlands mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen hätten. Im Lohngefüge und bei den Renteneinkommen bestünden Unterschiede fort. Paul Schäfer, der Pressesprecher der Jungen Union in Sachsen, begrüßt den Vorstoß der Parteien zu Ostdeutschland.
"Fast 30 Jahre Wiedervereinigung sind eine gute Wegmarke um nachzuschauen, wo denn das eine oder andere noch ein bisschen im Argen liegt. Ich denke, in einigen Dingen ist das schon noch der Fall, dass sich Menschen in Ostdeutschland nicht in dem Maße gewertschätzt und gewürdigt fühlen, wie sie sich das wünschen."
Paul Schäfer sieht in der wirtschaftlichen Lage eine Ursache dafür, dass eine Agenda Ost nötig ist. Große Konzerne seien so gut wie gar nicht im Osten ansässig, die Industrie sei dort nicht so entwickelt wie in den alten Bundesländern. Hinzu käme ein Gefühl der Unterlegenheit. Das betreffe insbesondere ältere Menschen.
Unbegründetes Gefühl von Benachteiligung
In Teilen sei dieses Gefühl der Benachteiligung nicht durch die Realität gedeckt. Die Rentenungleichheit sei zwar bei den älteren ein großes Thema. De facto seien Ost- und Westrenten aber inzwischen fast vollständig angeglichen. Der aktuelle Rentenwert liegt – Stand Januar 2019 – bei 30,69 Euro (Ost) und 32,03 Euro (West).
"Es sind ganz oft gefühlte Wahrheiten. Wenn man dann mal fragt: 'Was denken Sie, was den Unterschied Rente-Ost und Rente-West ausmacht?', kommen teilweise horrende Zahlen ins Gespräch. Das ist aber nicht so. Wir sind fast auf Augenhöhe."
Paul Schäfer weist darauf hin, dass nun mit dem Kohlekompromiss ein erneuter Strukturwandel in der sächsischen Region Lausitz anstehe. Auch deswegen lehnt er es grundsätzlich ab, die Agenda Ost der CDU nur auf den taktischen Versuch zu reduzieren, Wählerstimmen zu gewinnen. Bei der Bundestagswahl im September 2017 erreichte die CDU 26,9 Prozent der Zweitstimmen, die AfD erhielt 27 Prozent.
Die SPD, die zusammen mit der Union in Berlin in der großen Koalition regiert, hat ähnliche Pläne. Im entsprechenden 12-Punkte-Plan der SPD erklärt die Partei sich zum Ziel, den Osten zu einer Innovationsschmiede zu machen. Die Sozialdemokraten streben einen Solidarpakt III für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland an. Ein solcher neuer Solidarpakt für Ost und West müsse aber mehr Mittel haben als bisher. Der Solidarpakt II für zusätzliche Mittel an die Ost-Länder und Berlin läuft 2019 aus.
In einem weiteren Gespräch haben wir mit unserer Berlin-Korrespondentin Katharina Hamberger über die Pläne der beiden Koalitions-Parteien für den Osten gesprochen. Bei allen Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die beiden großen Parteien auch:
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