Fast 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung sind die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West geringer geworden. Noch aber gibt es welche. Sina Fröhndrich räumt mit Klischees auf, erklärt wirtschaftliche Gefälle in Deutschland und verrät, wie man diese vielleicht beseitigen könnte.

Die Arbeitslosigkeit sei ein Beispiel dafür, dass es zwischen Ost und West noch immer eine wirtschaftliche Kluft gibt, sagt Sina Fröhndrich aus der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion. Im Osten liege sie bei 7,6 Prozent, im Westen bei 5,3 Prozent.

"Strukturschwache Regionen gibt es in Ost wie West – da tut sich eher ein Nord-Süd-Gefälle auf. Da lohnt es, die Ost-West-Brille abzunehmen."
Sina Fröhndrich, Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion

Allerdings muss man die Zahlen differenziert betrachten, denn es gibt Ausreißer nach oben: Thüringen und Sachsen beispielsweise stehen besser da als Nordrhein-Westfalen oder Hamburg, erklärt Sina. Und strukturschwache Regionen gebe es in Ost wie West – da tue sich eher ein Nord-Süd-Gefälle auf.

In Ostdeutschland fehlen wirtschaftliche Zugpferde

Was es im Osten nicht gebe, seien wirtschaftliche Zugpferde. Dort hätten wir zwar starke Städte wie Leipzig oder Jena, bundesweit betrachtet seien die aber keine Leuchttürme. Das bestätigt auch Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Er sagt, es fehlen im Osten die Spitzenreiter: "Wirtschaftsräume, wie wir sie in Bayern oder Baden-Württemberg oder auch in Hessen sehen, in denen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit überdurchschnittlich ist."

Stärkere Abwanderung im Osten

Ein Problem im Osten, so Sina, ist auch immer noch die Abwanderung: Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hat der Osten seit der Wendezeit zwei Millionen Menschen verloren, der Westen dagegen hat fünf Millionen hinzugewonnen. Zum Teil spielten da sicher auch Einkommensunterschiede eine Rolle, sagt Sina, aber auch die müsse man differenziert betrachten: Zum Beispiel im Bereich Erziehung und Unterricht – da sind die Einkommen weitgehend angeglichen, sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Wirtschaftsstandort Osten stärken

Um den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland noch weiter zu stärken, werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, sagt Sina. Neben anderen Punkten nennt sie etwa eine verstärkte Ansiedlung von Bundesbehörden im Osten oder eine stärkere Förderung der dortigen Hochschulen.

"Die Ostdeutschen sind doch nicht gleichzusetzen. Es gibt doch nicht die homogene Gruppe. Hier wird in Schubladen gedacht."
Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen der DDR

Und die Mentalitätsunterschiede? Da winkt Sina ab. "Wer ist denn Wessi und wer Ossi?", fragt sie, die selbst wohl am ehesten ein "Wossi" ist: Sie wurde im Osten geboren, ist dort aufgewachsen und lebt schon lange im Westen. Und Ossi sei ja auch nicht Ossi, sagt sie mit Verweis auf Roland Jahn, den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Der argumentiert: "Man kann nicht den SED-Parteisekretär gleichsetzen mit dem evangelischen Pfarrer, den Stasimann mit dem politischen Häftling."

Mehr zum Thema Deutsche Einheit und Unterschiede:

  • Unterschiede zwischen Ost und West werden kleiner  |   Politik, Freizeit oder die Einstellung zu Ausländern: Auch 28 Jahre nach der Wiedervereinigung klaffen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Aber sie sind kleiner geworden, das zeigen mehrere jetzt veröffentlichte Statistikauswertungen.
  • Wir müssen uns über Unterschiede austauschen  |   Christian Bangel ist Journalist und Buchautor, aufgewachsen in Frankfurt (Oder). Er findet, es muss gar keine innerdeutsche Einheit geben zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen. Aber: Wir müssen über die Unterschiede reden!
  • Und zwischen ihnen steht die Mauer  |   Andreas und Franz lernen sich 1987 in einer Schwulenbar in Ostberlin kennen. Sie verlieben sich ineinander - sofort. Eigentlich alles toll. Wäre da nicht die Berliner Mauer. - Eine deutsch-deutsche Liebesgeschichte in der Einhundert.
Shownotes
Deutsche Einheit
Wirtschaft: Ost-West-Kluft kleiner, aber noch da
vom 03. Oktober 2018
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Sina Fröhndrich, Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion