Welchen Einfluss hat Musik auf uns, wenn wir Autofahren? Viele, der Befragten einer israelischen Studie, gaben an, sich mit Musik besser konzentrieren zu können. Das stimmt – aber nur unter Umständen, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

Für seine explorative Untersuchung fragte Warren Brodsky, Musikpsychologe an der israelischen Ben-Gurion Universität, rund 140 18- bis 29-Jährige, welche Rolle Musik bei ihren Autofahrten spielt. Ergebnis: Autofahren, ohne dabei Musik zu hören, kommt für die meisten nicht in Frage. Fast alle gaben an, beim Fahren Musik laufen zu lassen. Und viele sagten auch, dass sie ihre Playlist je nach Situation anpassen. Auf dem Weg zur Arbeit läuft zum Beispiel bei den meisten nicht die gleiche Dance-Musik wie auf dem Weg zur Party.

Mehr als 90 Prozent der Befragten sagten auch, dass sie sich ohne Musik manchmal kaum aufs Fahren konzentrieren könnten. Das müsse man in Zukunft mehr berücksichtigen, findet der Leiter der Studie – etwa, wenn Fahrerinnen und Fahrer in kritischen Situationen die Kontrolle über ein selbstfahrendes Auto übernehmen müssen und dafür Konzentration brauchen.

"So unterschiedlich wie die Verkehrslage, ist auch die Musik. Grundsätzlich kann sie aber schon beim Konzentrieren helfen."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Bei der Konzentration komme es immer auf die unterschiedlichen Fahrsituationen an, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck. Manchmal müsste die oder der Fahrende eher aufgeweckt werden – wenn er oder sie zum Beispiel schon sehr lange Zeit über die monotone Autobahn rollt. Manchmal herrsche aber auch sowieso schon eine sehr stressige und hektische Stimmung – etwa beim Durchquälen durch die morgendliche Rush Hour im Stadtverkehr.

Herzschlag runter = bessere Konzentration

Grundsätzlich sei Musik dazu in der Lage, beruhigend auf uns einzuwirken. In einer stressigen Situation sollte die Musik dafür eher ruhig sein: Tracks, die den Herzschlag ein bisschen runterregeln, führen dazu, dass sich die Zuhörenden besser auf eine Situation konzentrieren können, so Henning Beck.

Nicht zu viel Lyrics und nicht zu laut

Generell helfe es laut Studien auch, wenn die Musik nicht so viel Text enthält. Denn je mehr Lyrics es gebe, desto mehr lenke das ab, weil man sich auf den Text konzentriere. Gleichzeitig müsse man ja aber auch noch rote Ampeln erkennen und das Fahrzeug sicher führen.

"Wird die Musik zu laut und zu schnell, kann das dazu führen, dass sie einen 'übernimmt': Stresshormone und Puls steigen und man kriegt schwitzige Hände und kann vom Lenkrad abrutschen."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Auch die Lautstärke ist ein wichtiger Faktor beim Thema Konzentration, sagt Henning Beck. Laute Musik lenke uns aber nicht automatisch ab. Es komme immer darauf an, wie stark konzentriert wir sind:

Wenn wir im Auto sitzen und absolut fokussiert und hellwach durch eine komplizierte städtische Verkehrssituation navigieren, kann die Musik durchaus auch mal lauter sein, ohne dass wir den Fokus verlieren, sagt der Neurowissenschaftler. Bei einer Bummelfahrt auf einer Landstraße ohne Verkehr dagegen reiche schon eine kleine Lautstärkeveränderung aus und wir würden abgelenkt.

Lautstärke ist aber nicht das alleinige Kriterium, so Henning Beck. Ab etwa 80 Dezibel fange Musik an, unser Denken "ein bisschen zu kapern" und uns abzulenken. Wichtiger seien aber die Handlungen, die wir durchführen.

Musik kann Fahrstil beeinflussen

Bei lauter, aggressiver und hektischer Musik kann sich durchaus auch der Fahrstil ändern, sagt Henning Beck. Man lässt sich von dieser Musik dann sozusagen ein bisschen verleiten.

"Musik regt die Emotionen und auch die motorischen Zentren an."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Im Gehirn werde Musik nämlich nicht so verarbeitet wie Sehen oder Hören, also wie eine reine Sinneswahrnehmung. Musik rege die Emotionen an und auch die motorischen Zentren: Je aktiver die Musik, desto schwieriger ist es auch für uns, die Beine und Arme still zu halten und nicht im Auto "mitzutanzen".

Shownotes
Konzentration
Musikhören kann beim Autofahren helfen
vom 27. Februar 2021
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler