In Libyen greift Milizenführer Chalifa Haftar die Regierung in Tripolis an. Frankreich unterstützt ihn, Italien und der Rest der EU halten zum schwachen Ministerpräsidenten. Wir haben mit Guido Steinberg über die Lage in Libyen gesprochen.
Die Lage im nordafrikanischen Staat Libyen spitzt sich zu: Seit Donnerstag (04.04.209) rücken Truppen des abtrünnigen libyschen Militärs Chalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis vor. Dort hat die demokratisch gewählte und international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch ihren Sitz. Regierungstreue Truppen starteten eine Gegenoffensive. Bisher wurden bei den Kämpfen nach Regierungsangaben mindestens 35 Menschen getötet. Auch der einzige funktionierende Flughafen der Stadt ist schon aus der Luft angegriffen worden (Stand 08.04.2019).
Haftar – Ex-Militär mit Ambitionen
Wir haben mit Guido Steinberg über die Lage in Libyen und die Rolle des Militärs Chalifa Haftar gesprochen. Guido Steinberg arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik, die aus Bundesmitteln finanziert wird, und ist dort für die Forschungsgruppe Naher Osten, Mittlerer Osten und Afrika tätig. Er weist zunächst auf die wechselhafte Biografie von Chalifa Haftar hin: Als General im Dienst Muammar al-Gaddafis, organisierte er für den Diktator Ende der 1980er Jahre den Krieg im afrikanischen Tschad, geriet in Gefangenschaft und wanderte dann in die USA aus. Seit 2011 lebt Chalifa Haftar wieder in Libyen. Seine Milizen wendeten sich vor allem gegen islamistische Gruppen, griffen 2014 aber auch das Parlament des Landes an. Die libysche Regierung bezeichnete das als Putschversuch.
"Haftar verspricht ein Regime – nicht ganz so brutal, aber doch ähnlich stabil wie das Regime Gadafis. Dadurch gewinnt er in den letzten Jahren an Unterstützung."
Chalifa Haftar kontrolliert den Osten des Landes und große Teile des Südens, wolle aber das ganze Land unter seine Kontrolle bringen, sagt Guido Steinberg. Deswegen greife er jetzt direkt die Regierung und die Hauptstadt Tripolis militärisch an. Chalifa Haftar werde dabei von der ägyptischen Regierung, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi Arabien und Frankreich unterstützt. Frankreich setze in dieser Frage ganz auf klassische Machtpolitik, sagt Guido Steinberg. Auf eine europäische Außenpolitik nehme Frankreich also keine Rücksicht, denn vor allem Italien wende sich klar gegen Chalifa Haftar. Es wird also deutlich: Die Europäische Union ist in der Libyenfrage uneins - ein Problem, weil sie eng mit dem Thema Migration verknüpft ist.
"Es gibt in Libyen ganz grundsätzliche Meinungsunterschiede zwischen Franzosen und vor allem den Italienern, wie es denn mit der Zukunft Libyens aussehen soll."
Seit dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in Teilen des nordafrikanischen Landes Anarchie. Die Regierung in Tripolis ist zwar stabil aber militärisch schwach. Sie wird von den UN, den USA und den europäischen Ländern – mit Ausnahme Frankreichs –unterstützt. Guido Steinberg weist darauf hin, dass diese Unterstützung grundsätzlich nicht militärisch ist, sondern diplomatisch.
"All diese Akteure sind nicht bereit, die Regierung in Libyen auch militärisch zu unterstützen und das hat dazu geführt, dass dieses Kräfteungleichgewicht entstanden ist, dass Haftar in der Lage ist, Tripolis zu gefährden."
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