Für das EU-Parlament und die EU-Kommission gibt es ein Lobby-Register, in das sich Unternehmen und Lobbyagenturen eintragen müssen. Etwas Vergleichbares gibt es für den deutschen Bundestag nicht. Das macht die Lobbyarbeit in Berlin so intransparent.

"Auf jeden Fall hätte sich das Start-Up "Augustus Intelligence" in das Lobby-Register des EU-Parlaments eintragen müssen", wenn es in Brüssel Lobbyarbeit machen wolle, sagt Timo Lange. Er leitet das Büro des gemeinnützigen Vereins Lobbycontrol in Berlin. Denn die Regeln hinsichtlich Transparenz und Kontakte mit Lobbyisten sind im EU-Parlament umfangreicher als im deutschen Bundestag. So ein Lobby-Register fehlt in Deutschland, das auf EU-Ebene für Parlament und Kommission gilt. In Bezug auf Nebeneinkünfte würden sich EU-Parlament und Bundestag gar nicht so sehr unterscheiden.

Lobby-Register: Sichtbarmachen von Unternehmensinteressen

Mit dem Lobby-Register wäre sichtbar gewesen, dass ein Unternehmen aus den USA Interessen in Deutschland vertritt. EU-Parlamentarier müssen auch Lobby-Kontakte und Gespräche mit Lobbyisten offenlegen, wenn es dabei um die Gesetzgebung geht. Im Falle Philipp Amthors wäre das nicht der Fall gewesen, vermutet Timo Lange.

Allerdings geht es im Fall Philipp Amthor auch um Reisekosten. Bislang sei noch nicht klar, wer die Reisekosten bezahlt hat. Aber auch in so einem Fall sind die Offenlegungspflichten im EU-Parlament weitreichender als im Bundestag, sagt Timo Lange. All diese Mechanismen hätten den Fall sichtbarer gemacht, aber ob er auf EU-Ebene komplett anders ausgesehen hätte, kann Timo Lange nicht eindeutig beantworten.

Das Lobby-Register in Brüssel würde zwar solche Fälle sichtbarer machen, aber es sei auch nicht perfekt. Zum Beispiel müsste sich die Anwaltskanzlei White & Case ins EU-Lobby-Register eintragen, macht das aber laut Timo Lange nicht. Bei dieser Kanzlei hatte Philipp Amthor bis zum 19. Juni 2020 eine weitere Nebentätigkeit. Grundsätzlich wäre das Register aber sinnvoll, weil damit transparent würde, was Lobby-Arbeit ist, wer die Lobbyisten sind, was sie machen und wer wen beauftragt.

"Mit dem Lobby-Register kann man nicht alle Fälle verhindern, gerade wenn es um Korruption geht. Das gibt ja niemand in einem Register an."
Timo Lange, Lobbycontrol

Mit diesen Hinweisen auf Lobbyisten wird beispielsweise anderen Gruppen oder Journalisten ermöglicht, Nachfragen zu stellen und zu recherchieren.

Lobby- und Netzwerkarbeit

Teilweise würden Unternehmen oder Verbände sich direkt an die Abgeordneten wenden, andere würden dafür Dienstleister, Lobbyagenturen oder Anwaltskanzleien beauftragen, die dann die Kontakte herstellen. Dieses Netzwerk an Interessen ist in Brüssel transparenter als in Berlin, sagt Timo Lange.

In Bezug auf die Angaben von Nebeneinkünfte von Abgeordneten, gibt es andere Parlamente, die viel weiter gehen als das EU-Parlament oder der Bundestag. Beispielsweise müssen die Abgeordneten des britischen Unterhauses detailliertere Angaben machen, für wen und wie viel sie arbeiten und was sie verdienen. Das helfe auch dabei sichtbar zu machen, ob den Einkünften auch echte Tätigkeiten gegenüberstehen.

Interessenskonflikte durch Vermögen

In Frankreich müssen die Abgeordneten offenlegen, welche Vermögenswerte sie besitzen, weil daraus auch Interessenskonflikte entstehen können. Bei Philipp Amthor ging es zum Beispiel auch um Aktienoptionen, die er von "Augustus Intelligence" bekommen hat. Nach den deutschen Regeln musste er diese gar nicht offenlegen. In Frankreich müssen die Aktienanteile an einem Unternehmen transparent gemacht werden, weil das eine Abhängigkeit oder Interessenskonflikt nach sich ziehen kann. Beispiel: Wenn man als Verkehrspolitiker Automobilaktien besitzt.

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Shownotes
Lobbyismus
Lobbycontrol: Lobby-Register hätte Fall Amthor sichtbar gemacht
vom 19. Juni 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Timo Lange, Lobbycontrol