1820 ist das Jahr, in dem eine russische Expedition die Antarktis entdeckt hat. So steht es in den Geschichtsbüchern. Eine neue Studie sagt nun: Vielleicht waren sie gar nicht die ersten - schon tausend Jahre vorher könnten die Polynesier dort gewesen sein.
Die Polynesier – so viel steht fest – waren ausgezeichnete Seefahrer und erfolgreiche Entdecker. Dabei haben sie sich nicht nur durch die vielen kleinen Inseln in der Südsee navigiert, sondern haben auch die Weltmeere erkundet, ganz ohne Kompass.
Ihre Navigationshilfen waren die Sonne, Sternenbilder, Strömungen und der Flug von Vögeln. In einer Überlieferung heißt es sogar, die Polynesier hätten den Pazifik so leicht überquert wie andere einen See.
"Es gibt eine Beschreibung, dass die Polynesier den Pazifik so leicht überquert haben wie andere einen See."
Eine neue Studie kommt jetzt zu dem Schluss, dass die Polynesier vermutlich sogar als erstes die sechstausend Kilometer bis zur Antarktis überwunden haben und das mit einfachen, schmalen Segelbooten. Das soll im 7. Jahrhundert gewesen sein. Erst im 13. Jahrhundert haben die Maori Neuseeland besiedelt.
Demnach könnte das russische Expeditionsteam mit seiner Entdeckung im Jahr 1820 tausend Jahre zu spät dran gewesen sein, um als Erster die Antarktis gefunden zu haben.
Mündliche und künstlerische Überlieferungen
Warum das bis heute für die Forschung eher unbekannt war, liegt vor allem daran, dass vieles in der Maori-Kultur nur mündlich oder mit Kunst wie beispielsweise Holzschnitzereien überliefert wurde.
Es gibt so durchaus einige Geschichtserzählungen, ihnen wurde aber bisher in der akademischen Welt kaum Beachtung geschenkt. Für die Maori selbst sei diese Nachricht keineswegs neu, schreibt die neuseeländische Zeitung NZ Herald.
"In der Kultur ist das überliefert, aber in der akademischen Welt nicht so richtig angekommen."
Deshalb hat die Biologin Priscilla M. Wehi aus Neuseeland bewusst diese Arten der Überlieferung analysiert. So gibt es beispielsweise Hinweise auf den wichtigen polynesischen Entdecker Hui Te Rangiora. Laut den Aufzeichnungen aus dem 7. Jahrhundert war dieser von Polynesien in Richtung Antarktis gefahren.
Malerische Beschreibungen der Antarktis
Dabei haben die Forschenden vor allem in Legenden, die mündlich weitergetragen und irgendwann niedergeschrieben wurden, Hinweise auf eine Expedition zur Antarktis gefunden. In diesen wird der südliche Ozean "Te tai-uka-a-pia" genannt. Der vordere Teil des Wortes heißt übersetzt so viel wie "gefrorener Ozean", das Wort "pia" steht für eine Art Wurzelmehl, das Schnee gleichen könnte.
Zudem werden felsenähnliche Strukturen beschrieben, deren Spitze den Himmel durchstoßen hätten und die ganz nackt und ohne Pflanzen gewesen seien. Die Forschenden gehen davon aus, dass damit Eisberge gemeint sein könnten. Frauen, die in den Wellen lebten und deren Locken oben auf dem Wasser schwämmen, könnten bestimmte Algen sein, die rund um die Antarktis zu finden sind. Die Schnitzereien, auf denen auch Meerestiere wie Wale zu sehen sind, stützen die bildlichen Beschreibungen.
Europäer waren nicht die einzigen Entdecker der Welt
Wie weit genau die Polynesier damals gekommen sind, kann heute nicht mehr genau festgestellt werden. Doch die Forschung möchte mit der Studie ein Zeichen setzen und zeigen, dass nicht nur die Europäer in der Lage waren, die Weltmeere zu befahren, sondern auch andere Völker.
Den europäischen Entdeckern mag das damals sogar bewusst gewesen sein, denn oft waren Maori auch in späteren Expeditionen zur Antarktis beteiligt, um beispielsweise die Küste zu vermessen. Der Ruhm der Entdeckung blieb jedoch den Europäern vorbehalten.