Wind, Wellen, Schlick – das Wattenmeer an der deutschen, niederländischen und dänischen Küste ist für viele Tiere und Zugvögel Lebensraum und ein einzigartiges Ökosystem. Außerdem speichert es große Mengen CO2 und ist somit bedeutsam für den Klimaschutz.

Die letzte Wattenmeerkonferenz liegt vier Jahre zurück. 2018 berieten die Anrainerstaaten Niederlande, Deutschland und Dänemark in Leeuwarden in den Niederlanden. Jetzt tagen sie in Wilhelmshaven, wie das Weltnaturerbe Wattenmeer geschützt werden kann. Neben den zuständigen Ministerien sind auch Vertreter und Vertreterinnen von Umweltverbänden, Schifffahrt und der Fischerei bei der Konferenz dabei.

Die Flüssiggasterminals bei Wilhelmshaven - unweit des Wattenmeers -, die wegen der Energiekrise schnell errichtet werden sollen, stellen eine Bedrohung für das einzigartige Ökosystem dar. Aline Kühl-Stenzel ist Referentin für Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Sie sagt: Das Meer war selten so unter Druck wie jetzt. In Wilhelmshaven seien sogar zwei Flüssiggas- oder LNG-Terminals angedacht von den insgesamt in Planung befindlichen 12.

"Es ist eine ganze Menge an Problemen: Umweltverschmutzung, Lärm, zerstörter Lebensraum. Aber was uns aktuell am meisten bewegt, ist der Biozid-Eintag im Wattenmeer."
Aline Kühl-Stenzel, Referentin für Meeresschutz bei NABU Deutschland

Das Wattenmeer sei ohnehin durch Umweltverschmutzung, Lärm und Zerstörung von Lebensräumen belastet. Aktuell stelle der Biozid-Eintrag das größte Problem dar, so Aline Kühl-Stenzel.

Einsatz von Bioziden zur Reinigung der Rohre

Die LNG-Terminals dienen dazu, Tanker mit flüssigem Erdgas zu be- und entladen. Sie sind per Pipelines an ein Gasnetz angeschlossen. Die Rohre, die die Terminals mit Gas versorgen, werden vor allem mit Chlor und anderen Bioziden gespült, um sie von Muscheln und anderen Ablagerungen zu befreien. Die Meeresschützerin sagt, dass es zwar inzwischen auch mechanische Verfahren gebe, um die Rohre durchlässig zu halten – doch die deutschen Schiffe können diese noch nicht durchführen. In Zeiten der Energiekrise ist aber schnelles Be- und Entladen erforderlich.

"Das Wattenmeer ist unser Kronjuwel."
Aline Kühl-Stenzel, Referentin für Meeresschutz bei NABU Deutschland

Trotz der Energiekrise sei es aber geboten, dass Deutschland sich an den Koalitionsvertrag halte. Dort wurde festgesetzt, dass die Energiewende ohne den Abbau von ökologischen Schutzstandards ermöglicht werden muss. Obwohl erneuerbare Energien wichtig sind, bereiten vor allem der im Naturschutz geplante Windpark in Dänemark und der Offshore-Windpark an der Nordsee der Referentin Sorgen.

Denn die Windräder und Kabeltrassen, die gerade in Niedersachsen durch das Wattenmeer führen, stören den Lebensraum vieler Tierarten. Sie ist aber überzeugt: Die Energiewende kann Hand in Hand mit Naturschutz gehen. Dafür müssen beim Bau von Windparks zum Beispiel Ruhezeiten oder Meideradien eingehalten werden. Aktuell werden aber wenige Kompromisse gefunden.

Salzwiesen binden CO2

Für den Klimaschutz ist das Wattenmeer unverzichtbar. Salzwiesen können allein in sechs Jahren die Menge CO2 einspeichern, für die ein deutscher Wald hundert Jahren braucht, so die Meeresschützerin. Deshalb sei der Schutz umso bedeutender – gerade bei Prognosen eines steigenden Meeresspiegel um einen Meter bis zum Jahr 2100.

"Die trilaterale Zusammenarbeit seit 1989 ist wahnsinnig wichtig. Aber es sind viele am Schutz des Wattenmeers beteiligt, nicht zuletzt einzelne Freiwillige."
Aline Kühl-Stenzel, Referentin für Meeresschutz bei NABU Deutschland

In den vergangenen Jahren konnte die Konferenz positive Ergebnisse verzeichnen. Den Seehunden geht es gut, das Seepferdchen ist zurückgekehrt. Doch das sei nicht allein das Verdienst der Konferenz, sondern auch vieler freiwilliger Helfer.

Der politische Druck durch die Energiekrise auf die verschiedenen Akteure und auf die Konferenz ist dieses Jahr enorm, sagt Aline Kühl-Stenzel. Für sie ist aber dennoch ganz klar: Naturschutz muss Priorität haben.

Shownotes
Nabu-Referentin für Meeresschutz
"Das Wattenmeer war selten so unter Druck wie jetzt"
vom 28. November 2022
Moderator: 
Paulus Müller
Gesprächspartnerin: 
Aline Kühl-Stenzel, NABU Deutschland