Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sebastian Witte war unterwegs zwischen Nuss, Nugat und Nervenzusammenbruch. Andere nennen es Weihnachtsmarkt. Und hier laufen die immer gleichen Lieder. Warum wir Weihnachtslieder erst lieben und dann hassen, erklärt ein Musikwissenschaftler.
Ahh, Weihnachtsmarkt. Schön! Es riecht nach Plätzchen, wir sehen Tausende Lichter an den Bäumen und wir hören – naja - Weihnachtsmusik eben. Wer sie nicht mag, geht einfach weg. Außer: Er hat einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt. Dann wird es echt anstrengend.
Die Strategien der Weihnachtsmarktverkäufer
Verkäuferin Anna steht an ihrem Stand mit Schmuck und erzählt unserem Reporter Sebastian, dass sie der Sache mit Ironie begegnet. Sie singt einfach andere Texte zu den Weihnachtsliedern.
"Ironisch werden, hilft ganz gut! Oder andere Texte darauf mitsingen. Also kreativ werden."
Jay verkauft italienische Süßigkeiten auf dem Weihnachtsmarkt. Er löst die Sache pragmatisch, indem er zu Kopfhörern greift und eigene Musik hört. Einen Song kann er nämlich gar nicht mehr hören: "Last Christmas".
"Last Christmas! Ich kann es nicht mehr hören!"
Für viele ist dieses Lied der schlimmste Song, der jemals geschrieben wurde. Andere lieben ihn und hören den Klassiker von Wham! wieder und wieder.
Manche Lieder nerven und andere nicht
Aber warum ist das so? Warum hören wir manche Lieder in Dauerschleife und kriegen gar nicht genug davon? Rainer Nonnenmann ist Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Er erklärt, warum manche Lieder unsere Nerven zerstören, andere wieder nicht.
1. Ein eher komplexes Lied bleibt langfristig interessant
"Es gibt außermusikalische Faktoren und innermusikalische Faktoren. Innermusikalisch sind die Vielschichtigkeit, der Klang, der Verlauf. Darum erlebe ich ein Lied immer wieder anders."
Außermusikalische Faktoren sind Dinge, die ein Hörer mit einem bestimmten Song verbindet, sagt Rainer Nonnemann. Eine Erinnerung an einen Urlaub zum Beispiel. Manche Lieder sind auch einfach nur komplexer als andere Songs und darum spannend. Allerdings hält kaum ein Song für die Ewigkeit.
2. Reproduktion stumpft ab
Selbst wenn ein Lied uns an etwas Schönes erinnert oder sehr komplex ist, irgendwann nutzt es sich ab. Und dann können wir es nicht mehr hören. Damit genau das mit den ganzen Weihnachtsklassikern nicht passiert, hat sich die Musikindustrie einen Trick ausgedacht, sagt Rainer Nonnenmann. Sie bringt Remakes auf den Markt: Alte Songs neu arrangiert und gesungen, damit wir sie wieder ertragen können. Solche Remakes gibt es auch von "Last Christmas".
"Wiederholung macht irgendwann träge und gibt uns nicht diesen Stimulus und diese Stimmung, die wir bei dem Song eigentlich haben wollen. Die Wirkung bleibt einfach aus."
Reporter Sebastian Witte empfiehlt die Version von Erlend Oye. Zumindest vorerst.
(Und Deutschlandfunk-Nova-Tontechniker Max lässt ausrichten, dass er für Änderungen an dieser Reportage nicht mehr zur Verfügung steht. Er kann es nicht mehr hören.)
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