Mit der Intro, Spex und Groove haben vergangenes Jahr drei ehemals große Musikmagazine ihre Print-Ausgaben eingestellt. Die Lücke, die sie hinterlassen, nutzen immer häufiger große Musikfirmen mit eigenen Magazinen, ob das eher Werbung oder qualitativer Journalismus ist, darüber haben wir mit Christoph Möller gesprochen.

Ticketmaster ist der weltweit größte Anbieter für Konzerttickets und hat gerade das firmeneigene Applause-Magazin neugestaltet. Gab es das Magazin bisher nur als Beilage für Kunden, die sich ein Ticket gekauft haben, liegt es seit April in coolen Clubs und Bars aus, mit einer hohen Auflage von 85.000 Heften. Zu lesen gebe es Porträts über Musiker, aber auch meinungsstarke und politische Artikel, sagt der Musikjournalist Christoph Möller. Insgesamt sei das zwar wenig innovativ, aber trotzdem ganz nett, so sein Eindruck.

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Interessanter findet Christoph Möller, das erst drei Wochen alte Nicetry-Magazin, das aus dem Splash-Magazin hervorgegangen ist. Dahinter steckt das Berliner Unternehmen Goodlive, das auch Festivals wie das Lollapalooza oder das Melt veranstaltet. Beim Online-Magazin Nicetry würden überwiegend junge Redakteure schreiben. Es gibt Artikel über Rap, queer-feministische Beiträge, aber auch Rock findet statt, so der Musikjournalist. Man merke, dass die Zielgruppe nicht mehr nur bestimmte Genres höre, sondern durcheinander.

Das Anliegen: Marken- und Imagepflege

Für das Interesse der Firmen an einem Musikmagazin gebe es einen klaren Grund, so Christoph Möller: Image- und Markenpflege. Mit einem Heft überdecke man das Bild von einer Firma, die bloß Kohle mit Tickets machen wolle.

"Mit einem Heft wie Applause überdeckt man das Image 'Firma will bloß Kohle mit Tickets machen' natürlich."
Christoph Möller, Musikjournalist

Bei Nicetry sei die Absicht noch nicht ganz klar zu erkennen, sagt Christoph Möller. Die Nähe zu Goodlive gebe es nur im Impressum. Klar sei: Viele Interviews sind auf dem Melt-Festival oder dem Splash geführt worden.

Am Ende geht es um Kohle

Es stellt sich natürlich die Frage, wie unabhängig diese Magazine sind. Das Applause wird wohl kaum über schräge Deals beim Ticketverkauf berichten. Nicetry bestimmt nicht negativ über die eigenen Festivals. Daniel Koch ist Redakteur bei Applause, er sagt, er habe nicht das Gefühl, seinen Idealismus hinten anstellen zu müssen. Im Gegenteil: Er genieße sehr große Freiheiten und dass einem keiner reinrede.

"Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe, gerade was das Schreiben und über Themen schreiben, auch politische Themen, schon sehr große Freiheiten."
Daniel Koch, Redakteur bei Applause

Und auch Jördis Hagemeier, Chefredakteurin von Nicetry. sagt, Goodlive wolle mit Nicetry explizit kein Werbefenster sein, sondern guten Journalismus machen. Jördis habe den Job sogar nur unter der Bedingung angenommen, unabhängig berichten zu können. Sie habe sogar eine Festanstellung abgelehnt, um im wahrsten Sinne, frei zu sein, berichtet Christoph. Jetzt habe sie Freiheiten, die sie vorher - etwa beim Musikexpress - so nicht hatte.

So interessant und gut lesbar die Inhalte der Magazine auch sein mögen, eines sei klar, so Christoph Möller: Die Firmen dahinter wollen natürlich Kohle machen. Und der Musikjournalismus, mag er noch so gut und scheinbar unabhängig sein, sei ein Mittel, um das zu tun. Popmusik sei ein gutes und günstiges Marketinginstrument, denn Popmusik ist cool und erreiche viele und vor allem auch junge Menschen - also auch zukünftige Kundinnen und Kunden. Und letztlich müsse Ticketmaster die Erwartungen der Anleger an der Börse befriedigen.

Shownotes
Neue Musikmagazine
Wenn Musikjournalismus von Firmen bezahlt wird
vom 09. August 2019
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Christoph Möller, Musikjournalist