Wie bewertet unser Gehirn Kunst? Worauf achten wir, damit sie uns gefällt? Ein bisschen ist das wie bei der Ernährung: Wir zerlegen Kunst in Einzelteile und bewerten diese. Die Gesamteinschätzung ergibt sich dann aus der Summe der Teile.
Pastellfarben, alles leuchtet, kleine Pinstelstriche: Den "Seerosenteich" von Claude Monet finden nicht wenige Menschen hübsch – andere dagegen nicht so. Denen gefällt vielleicht die "Marilyn Monroe" besser, wie sie Andy Warhol in seiner Pop Art zeigt.
Eine Forschergruppe aus Kalifornien hat untersucht, was in unserem Hirn passiert, wenn wir versuchen, ein Kunstwerk einzuschätzen und herauszufinden, ob es zu unserem Geschmack passt. Im Fachmagazin "nature communications" haben sie ihre Studie veröffentlicht.
Was ist "schön"?
Jede Betrachterin und jeder Betrachter legt auf andere Details eines Kunstwerks Wert, erklärt Neurowissenschaftler Hennig Beck. Aus diesem Grund kann es auch sein, dass eine einzige oder wenige störende Kleinigkeiten dazu führen, dass wir das ganze Kunstwerk doof finden.
"Ein Gehirn dekonstruiert quasi das schöne Objekt vor sich und schaut sich die Einzelteile an. Wenn sich jemand an einem Detail stört, kann das so krass werden, dass er das ganze Ding nicht schön findet."
Laut der Studie funktioniert unser Gehirn nach einer Art Grundprinzip, wie wir Schönheit empfinden bzw. was wir gut finden oder nicht. Bei der Bewertung von Musik oder von Essen geht ein Gehirn demnach ganz ähnlich vor: Es "zerlegt" das Nahrungsmittel erstmal in seine Einzelteile, also in alle Geschmackskomponenten. Diese werden dann in separaten Regionen im Gehirn analysiert und bewertet. Am Ende wird das dann zusammengefügt und das Gesamtprodukt bewertet.
Kunstwerk oder Fleischwurst - für unser Hirn ist das wurscht
Ein berühmtes Gemälde – nehmen wir die "Sternennacht" von Vincent van Gogh – ist jetzt (wahrscheinlich) für die meisten Menschen "schöner" als ein Ring Fleischwurst. Unser Gehirn sieht das allerdings entspannter, erklärt Hennig Beck: Für das Hirn sei es kein großer Unterschied, ob man jetzt von der "Sternennacht" oder vom leckeren Geschmack der Wurst beeindruckt ist.
"Ob man jetzt von van Goghs 'Sternennacht' oder vom leckeren Geschmack der Fleischwurst beeindruckt ist – für das Gehirn ist das kein großer Unterschied."
Die Forschenden in Kalifornien haben den Proband*innen zunächst aufgetragen, möglichst viele Bilder zu bewerten, einige 100 oder sogar 1000. Diese mussten sie durchklicken und mit "schön" oder "nicht schön" votieren. Mit den Ergebnisdaten wurde dann ein Algorithmus trainiert, der anschließend "wusste", was die Leute mögen und was nicht.
Bei den als besonders "schön" bewerteten Bildern, haben die Wissenschaftler*innen dann gemessen, was im Gehirn passiert. Ergebnis: Es zerteilt das Bild offenbar zunächst in Einzelteile, in Schattierungen, Kontraste, Linienführung und so weiter. Diese Einzelteile werden dann in anderen Hirnregionen bewertet – und am Ende entsteht daraus dann der Gesamteindruck für ein Bild.
Einzelheiten können die Bewertung ins Postive ziehen
Unser Hirn nimmt also nicht sofort das Gesamtbild (oder die Gesamtwurst oder das komplette Musikstück) wahr, sondern zerlegt es zunächst aufwendig. Tatsächlich finden wir dann etwas "schön", wenn bestimmte Einzelteile besonders spektakulär "schön" sind.
"Tatsächlich finden wir etwas dann schön, wenn bestimmte Einzelteile besonders spektakulär schön sind. Das führt dann dazu, dass wir das ganze Ding schön finden."
Genau das setzen Musiker*innen ja auch ein, wenn sie einen Ohrwurm komponieren möchten: Sie konstruieren einen Song mit einem catchy Detail – zum Beispiel der Refrain-Melodie – das alle anderen Details überstrahlt. Das zeigt, dass unser Geschmack eigentlich tatsächlich aus Einzelteilen zusammengesetzt ist.