Dem Hummer in der Nordsee geht es schlecht, die Europäische Auster gilt dort als ausgestorben. Aber es gibt Pläne, beide Arten wieder zurückzubringen. Offshore-Windkraftparks sollen ihre Rettung sein.

Schon seit Jahrzehnten hat es der Hummer in Deutschland schwer. Er ist sowieso nur im Felsenwatt von Helgoland zu Hause, in den 30er Jahren sind dort jedes Jahr 80.000 Hummer pro Jahr gefangen worden. Doch mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Ausbau Helgolands zum Kriegshafen, Bombardierungen und Sprengungen brach die Hummer-Population ein.

Bei der Europäischen Auster sieht es ganz ähnlich aus: Einst lebten in der Nordsee Millionen von ihnen. Durch Überfischung und eingeschleppte Krankheiten ist sie weitestgehend ausgestorben.

"Offshoreanlagen sollen einen neuen Lebensraum für im Labor gezüchtete Hummer liefern."
Mario Ludwig, Deutschlandfunk-Nova-Biologe

Nun könnten Windparks ein neues Zuhause für Austern und die Krebse werden. "Hummer brauchen nämlich zum Überleben harten felsigen Untergrund mit Höhlen, in denen sie sich verstecken können", erklärt Deutschlandfunk-Nova-Biologe Mario Ludwig. Solch ein Untergrund ist in der deutschen Bucht mit ihrem Schlickboden sehr selten. Die Fundamente der riesigen Windräder müssen aber durch massive Steinschüttungen geschützt werden: "Und diese Unterschüttungen sind ideale Besiedlungs- und damit Lebensräume für Hummer."

Hummer-Experiment ist erfolgreich

Die Biologische Anstalt Helgoland hat vor fünf Jahren 2400 nachgezüchtete Junghummer im Offshore-Windpark Riffgat vor der Insel Borkum ausgesetzt. Als die Wissenschaftler ein paar Jahre später nachgezählt haben, wie viele Tiere noch zu finden waren, entdeckten sie nur etwas mehr als 3 Prozent der Hummer. 

Klingt enttäuschend, die Wissenschaftler sind aber trotzdem zufrieden. Der Grund: Die Hummerdichte entspricht der, die man auch in natürlichen Habitaten vorfindet. "Für den Erfolg dieses Experimentes spricht aber auch, dass die Hummer in den Wildparks schneller gewachsen sind, als in der Zucht", sagt Mario Ludwig. "Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich die Hummer in ihrer neuen Heimat wohlfühlen."

"Wenn das alles gut läuft, wollen die Wissenschaftler noch in anderen Windparks Hummer ansiedeln. So soll langfristig eine Population aufgebaut werden, die dann irgendwann auch wieder befischt werden kann."
Mario Ludwig, Deutschlandfunk-Nova-Biologe

Die Pläne für die Wiederansiedlung der Auster sind noch nicht ganz so weit. Das Bundesamt für Naturschutz züchtet gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland Austern, die dann in den Steinschüttungen der Offshore-Windparks ausgesetzt werden sollen. "Nur dort sind die Austern vor Grundschleppnetzen geschützt", erklärt Mario Ludwig.

Austern bringen Artenvielfalt

Dabei geht es nicht vor allem darum, dass irgendwann wieder Austern gefangen und verspeist werden können. "Langfristiges Ziel ist der Aufbau eines gesunden Bestands der Europäischen Auster in der deutschen Nordsee und damit eine Wiederherstellung artenreicher, längst verlorener Riffstrukturen", sagt Mario Ludwig. Denn die Europäische Auster ist wichtig für den Aufbau einer Austernbank, eine Art kleines Riff. Dieser Lebensraum bietet vielen Tieren Nahrung und Schutz.

So könnten die Offshore-Windparks nicht nur Energie für uns Menschen produzieren - sondern auch noch Hummer und Austern retten und für mehr Vielfalt in der Nordsee sorgen. Ein kleiner Ausgleich für das, was wir mit dem Bau der Windkraftanlagen und dem damit verbundenen immensen Lärm in der Nordsee anrichten.

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Shownotes
Offshore-Windkraftparks
Windkraftanlagen könnten Hummer und Austern retten
vom 27. März 2019
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Mario Ludwig, Biologe