„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ – So hat Willy Brandt den Mauerfall vom 9. November 1989 kommentiert. Drei Jahrzehnte später ist dieses Zusammenwachsen immer noch nicht beendet. Es geht aber voran: vor allem beim Thema Familie.

Der Mauerfall hat das Leben in Deutschland verbessert – Das denkt immerhin ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland. Genauer gesagt, dreiviertel aller Befragten einer Studie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Den Grund, dass auch in Ostdeutschland dieses Gefühl geteilt wird, sieht Anna Kaminsky in den neu gewonnenen demokratischen Rechten und Freiheiten.

"Sie sagt, die demokratischen Rechte und Freiheiten, die seit der Wende errungen worden sind, dürften aber nicht zu gering geschätzt werden."
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Aber wie schaut es beim Thema Familie aus: Wo l(i)ebt es sich da eigentlich besser? Bei den Wessis oder Ossis? Das Ergebnis der Befragung: Von der Heirat über die erste Geburt bis hin zur Erziehung, das Familienleben läuft heutzutage im Osten und Westen ziemlich ähnlich ab.

"Ja, ich will"

Den Zahlen zufolge haben wir uns beim Thema Familie ziemlich stark angenähert. Inzwischen heiraten in Ost- und Westdeutschland gleich viele Paare. Das war mal anders: Vor der Wende gaben sich in der DDR deutlich mehr Paare das „Ja“-Wort gegeben als in der Bundesrepublik. Nach dem Mauerfall drehte sich das Verhältnis um: Dann wurde im Westen knapp doppelt so oft geheiratet wie im Osten.

"Wenn man sich die Paare insgesamt anguckt, heiraten mittlerweile genauso viele Paare in Ost- wie in Westdeutschland."
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Auch in Punkto Kinder sind wir fast gleichauf. Denn Frauen kriegen in ganz Deutschland tendenziell später Kinder: im Osten mit 29 Jahren, im Westen mit 30. Im Jahr des Mauerfalls sah das noch ganz anders aus: In der DDR hatte eine Frau ihre erste Geburt Anfang 20, in der Bundesrepublik erst mit Ende 20.

Alleinerziehende, Elternzeit, Kita

Eine weitere Entwicklung, die bundesweit zu beobachten ist: Es gibt immer mehr Alleinerziehende. Das statistische Bundesamt spricht sogar von einem "Trend zu Alleinerziehenden".

"Demnach leben aktuell rund 3,6 Millionen Kinder mit nur einem Elternteil zusammen - meistens mit der Mutter: nämlich in 84 Prozent der Fälle."
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Beim Thema Elternzeit ticken wir bundesweit auch recht ähnlich: Immer mehr Väter nehmen den Anspruch auf Elternzeit wahr. In Sachsen beantragt mittlerweile sogar schon jeder dritte Vater Elternzeit, in Bayern jeder vierte. Am wenigsten Interesse daran haben Väter in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Bei der Kinderbetreuung schlägt der Osten den Westen. Dort besucht jedes zweite Kind unter drei Jahren eine Kita, im Westen nur jedes dritte. Es tut sich aber was auf Bundesebene – dank Ausbau der Kindertagesbetreuung, so das Statistische Bundesamt.

Vereint und doch nicht eins?

Beim Thema Familie gibt es immer weniger Unterschiede zwischen Ost und West. Das heißt aber noch nicht, dass wir in allen Bereichen schon eine Einheit geworden ist. Denn die Umfrage zeigt auch: Vor allem die Ossis hätten noch immer nicht das Gefühl, im vereinten Deutschland angekommen zu sein. Fast die Hälfte der Befragten halten die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland größer als die Gemeinsamkeiten. Im Osten sagten das sogar mehr als 60 Prozent. Für Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, liege das an den Nachwirkungen der SED-Diktatur.

"Die Geschäftsführerin der Stiftung meint, das liegt wahrscheinlich an den hohen Erwartungen und auch an den Nachwirkungen des Lebens in der Diktatur."
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

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Shownotes
Ost und West
Wir wachsen (endlich) zusammen!
vom 07. November 2019
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartnerin: 
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion