Der Deutsche Jagdverband will vermehrt Waschbären und Marderhunde schießen. Die entwickeln sich nämlich zur Plage. Aber was tun mit dem Fell?

Der Deutsche Jagdverband startet ab Oktober ein Pilotprojekt in der Nähe von Rastatt. Bei der Fellwechsel GmbH sollen Jäger die Möglichkeit haben, erlegte Wildtiere abzugeben, damit die Felle dort weiterverarbeitet werden können. Denn Pelze von Waschbären und Marderhunden seien eine ökologisch wertvolle Alternative zu Textilien aus Erdöl, so der Deutsche Jagdverband in einer Pressemitteilung. 

Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Denn T-Shirts und Hosen mit Kunststofffasern aus Erdöl lassen sich nicht so einfach durch Pelz ersetzen, sagt Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen. Die Einsatzmöglichkeiten lägen eher bei Accessoires, also Pelzkrägen, Handschuhfutter und Mützen.

"Ich glaub, die Zeit der Pelze als Oberbekleidung ist vorbei. So würde niemand rumlaufen."
Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen

Außerdem ist die Frage, ob wir das eigentlich – bei der ganzen Flut an Textilien und Accessoires - wirklich brauchen, gibt Kai Nebel zu bedenken. Aber: Der Markt ist definitiv da. Jedes Jahr werden massenweise Pelzteile von Marderhunden aus China nach Deutschland importiert. Die Tiere werden dort unter qualvollen Bedingungen extra gezüchtet und extrem schlecht behandelt, weil sie nicht mehr sind als ein billiger Rohstoff. 

"Da kann man sich natürlich schon die Frage stellen: Wenn schon Marderhunde als Schädlinge hier auflaufen, ob man die nicht als Rohstoff nutzen kann anstatt sie aus China zu importieren."
Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen

Viele ethische Fragen

Aber natürlich seien da ethische Fragen zu klären, sagt Kai Nebel. Zum Beispiel müsse hinterfragt werden, ob dadurch eine Nachfrage erst gefördert wird und Menschen aus Jagdpassion glauben, sie könnten jetzt guten Gewissens noch mehr Tiere schießen. Das sei eher der falsche Ansatz. Und natürlich weiß auch Kai Nebel: Die Diskussion um die Verwertung von Tieren ist eine sehr schwierige und vor allem auch eine emotionale. 

Und: Pelz ja oder nein sei natürlich auch immer eine Modesache. Im vergangenen Jahr sei jeder zweite Konsument mit Klamotten rumgelaufen, bei denen vermeintlich Kunstfellprodukte verarbeitet wurden. Was viele Modefans aber nicht wussten: Im Nachhinein haben sich die Kunstpelze als echte Pelze herausgestellt - von Marderhunden aus China.

"Wenn man gezielt einen Modetrend hervorruft, dann ist da ein Bedarf da. Und dann ist wirklich die Frage, ob der aus heimischen Gefilden gedeckt werden kann."
Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen
Shownotes
Textilindustrie
Pelz statt Plastik
vom 23. Juni 2017
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen