Krankenschwester Esther Hasenbeck streikt - zusammen mit Kolleginnen und Kollegen. Sie arbeiten an der Uniklinik Essen. Mit ihnen demonstrieren viele andere Pflegekräfte gegen Überstunden, Personalmangel, Arbeitsverdichtung und Mängeln bei der Pflege.

"Der Wunsch aus dem Beruf auszutreten, wird von Dienst zu Dienst immer größer", sagt die Krankenschwester Esther Hasenbeck. Die Arbeit sei unbefriedigend. Oft seien die Schichten nicht vollbesetzt, weil Kolleginnen und Kollegen ausfallen. In hohem Tempo erledige sie dann die Arbeiten.

"Sobald einer krank ist, weiß man, jetzt funktioniert eigentlich gar nichts mehr richtig, weil man das Tempo noch mehr anziehen muss. Man hat morgens ganz oft den Wunsch, weinend wieder nach Hause zu gehen."
Esther Hasenbeck, Krankenschwester an der Uniklinik Essen

Sobald Kollegen ausfallen, sagt Esther Hasenbeck, sei klar, dass sie das Arbeitspensum gar nicht mehr schaffen kann. Das größte Problem sei der Pflegekräftemangel. Sie sei in ihrem Team gut und straff organisiert. In einem hohen Arbeitstempo gelänge es ihnen, die Aufgaben zu bewältigen. "Wir haben eine große Teamfähigkeit, dadurch können wir das Arbeitsaufkommen gut kompensieren", sagt Esther.

Die Arbeitsumstände von Esther Hasenbeck:

  • 36 Betten auf der Station
  • 4 Pflegekräfte
  • 12 Patienten pro Pflegekraft
  • 45 Minuten Morgenrundgang für alle Patienten mit pflegerischer Versorgung, Infusionen, Medikamentenverteilung
  • viele Untersuchungen in der Woche
  • Patientenanfragen
  • durchschnittlich 10 bis 11 Patientenneuaufnahmen pro Tag
  • 2 bis 3 Patienten in ambulanter Nachsorger
"Ich habe rund 50 Patienten im Frühdienst mit meinen drei Kollegen zu versorgen."
Esther Hasenbeck, Krankenschwester an der Uniklinik Essen

Bei fitten Patienten würde Esther es in 15 Minuten schaffen, sie gut zu versorgen. Bettlägerige Patienten dagegen würden mehr Pflege erfordern: Sie müssen gewaschen, angekleidet, und mit Essen versorgt werden.

"Wir brauchen einen deutlich höheren Personalschlüssel. Ich hätte gerne wie in Skandinavien eine 5:1 Betreuung."
Esther Hasenbeck, Krankenschwester an der Uniklinik Essen

Krankenpfleger arbeiten am Limit

Für die Krankenschwester ist ganz klar, wie eine gute Pflege aussehen kann, bei der sie und die Patienten zufrieden sind. Wenn sie nur fünf Patienten betreuen müsste, könnte sie sich individuell auf jeden einzelnen einlassen. "Ich könnte sie wirklich pflegerisch betreuen, was ich unter den jetzigen Bedingungen nicht machen kann", betont Esther Hasenbeck.

"Um befriedigt aus meinem Job nach Hause gehen zu können, bräuchte ich pro Patient eine Stunde."
Esther Hasenbeck, Krankenschwester an der Uniklinik Essen

Die Krankenschwester würde heute niemandem empfehlen, einen pflegerischen Beruf zu ergreifen. "Weil zurzeit wird man nicht glücklich in seinem Job. Man arbeitet ständig am Limit. Man ist ständig unbefriedigt, weil man weiß, dass man wieder nicht das machen konnte, was man eigentlich gelernt hat", sagt Esther Hasenbeck.

Mehr über den Pflegenotstand bei Deutschlandfunk Nova:

  • "Krankes Gesundheitssystem: "Feuerwehr-Rapper schlägt Alarm  |   Feuerwehrmann Christian Köller prangert mit seinem Youtube-Hit "Berlin brennt" die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem an. Im Podcast erzählt er, warum die Feuerwehr nicht mehr so schnell ist, wie sie sein sollte. Besonders hart trifft der Personalmangel die Pflegerinnen und Pfleger im Krankenhaus. "Wir werden den Patienten nicht gerecht", sagt Krankenpflegerin Gabi Heise. Außerdem erzählt Jeannine Sturm von ihrer Arbeit auf der Intensivstation und warum sie den Job nur noch in Teilzeit machen kann.
  • Pflegebranche: Zeitarbeit statt Pflegenotstand  |   Die Große Koalition will 8000 neue Stellen in der Pflege schaffen. Viel zu wenig, sagen Kritiker, schließlich gebe es mehrere zehntausend Pflegekräfte zu wenig. Harald Danneberg hat schon vor einiger Zeit seinen eigenen Pflegedienst gegründet und wollte einiges anders machen.

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Shownotes
Krankenschwester Esther Hasenbeck
Nur knapp vier Minuten pro Patient
vom 20. Juni 2018
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Esther Hasenbeck, Krankenschwester an der Uniklinik Essen