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Kaum waren die Schließungen über Ostern beschlossen, wurden sie wieder zurückgenommen – zumindest für die Wirtschaft. Und Kanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich entschuldigte sich dafür. Das habe es zwar so noch nie gegeben. Gegen die Pandemiemüdigkeit der meisten werde das aber vermutlich auch nicht helfen, meint der Politikwissenschaftler Moritz Kirchner.

"Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler." Diese Worte hatte so niemand erwartet. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die erst kürzlich beschlossene "Osterruhe" zurückgenommen. Sie sei es gewesen, die den Vorschlag zu verantworten habe, sagte die Kanzlerin im Zuge ihrer Entschuldigung.

Zur Erinnerung: Ursprünglich war beschlossen worden, den Gründonnerstag und den Karsamstag wie Sonn- und Feiertage zu behandeln. Dabei sollte am Gründonnerstag das gesamte wirtschaftliche Leben ruhen, am Karsamstag hätte nur der Lebensmittelhandel öffnen dürfen. Diese Entscheidung ist nun vom Tisch. Nicht nur rechtlich stand sie von Anfang an auf wackeligen Füßen.

Welche Maßnahmen und warum – das ist vielen unklar

"Es stellt sich die Frage, welche Halbwertszeit die Corona-Beschlüsse haben, wenn sie drei Tage später wieder zurückgepfiffen werden. Das stärkt sicher nicht das Vertrauen der Menschen in die Regierung."
Politologe Moritz Kirchner über die Corona-Politik von Bund und Ländern

Bei Franziska Brantner von den Grünen kam die Entscheidung der Kanzlerin gut an. Andere in der Opposition – von der FDP über die Linke bis zur AfD – sahen das Zurückrudern der Kanzlerin als endgültigen Beweis für das derzeitige Versagen der Regierung.

So oder so steht fest: Dass eine Staatschefin oder ein Staatschef so offen einen Fehler eingesteht und sich entschuldigt, habe es noch nicht gegeben, sagt Politikwissenschaftler und Psychologe Moritz Kirchner. Trotzdem bliebe das Problem ungelöst: Die Menschen könnten den Maßnahmen nicht mehr folgen, Vertrauen in die Politik gehe immer mehr verloren.

"Geht es darum, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden? Oder darum, so schnell wie möglich zu impfen oder um so schnell wie möglich aus dem Lockdown herauskommen?"
Politologe Moritz Kirchner fordert von Merkel, die Ziele hinter den Maßnahmen zu benennen.

Hinter jeder politischen Handlung steckt eine Intention

Und auch wenn Angela Merkels Entschuldigung manch einen beeindrucken mag, am Ende sei sie eine knallharte Politikerin. Das heißt: Mit ihren Handlungen verfolge sie immer Ziele, erklärt Moritz Kirchner. Sicher wolle sie sich als Politikerin menschlich und nahbar zeigen, aber auch Zeit gewinnen. Darüber hinaus sei der Druck, den die Lobbyverbände nach der Verkündung der "Osterruhe" gemacht hätten, kein Geheimnis.

Stephanie Gebert, Deutschlandfunk Nova Nachrichten
"Massive Kritik kam aus der Wirtschaft. Die Automobilindustrie zum Beispiel sah Probleme mit der Logistik. Außerdem war unklar, was das für die Arbeitszeit bedeuten würde."

Den Menschen in Deutschland helfe das alles nicht weiter. Perspektivlosigkeit und Pandemiemüdigkeit blieben. Daher wünscht sich Moritz Kirchner von der Kanzlerin statt einer Entschuldigung eine Rede, in der sie klar benennt, warum wir jetzt durchhalten müssen. Denn das sei – Entschuldigung hin oder her - zurzeit wohl kaum jemandem mehr klar.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Politologe über Merkels Sorry
"Entschuldigung ist gut, Perspektive wäre besser"
vom 24. März 2021
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Moritz Kirchner, Politikwissenschaftler und Psychologe