Ein Gericht in Berlin hat die Pop-Up-Radwege der Hauptstadt gestoppt. Der Verkehrsplaner Peter Gwiasda wundert sich über die Begründung und erklärt, warum Verkehr in der Stadt ein Kompromiss ist.
Das Land Berlin muss Pop-up-Radwege entfernen, die während des Shutdowns seit März dort eingerichtet worden waren – auch, um den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten. Das Land Berlin habe die Gefahren, die die Einrichtung dieser Radwegen rechtfertigen sollen, nicht ausreichend dargelegt, begründete das Verwaltungsgericht Berlin seine Entscheidung. Geklagt hatte der AfD-Abgeordnete Frank Scholtysek. Das Verfahren geht wird vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg fortgeführt.
"Acht Pop-Up-Radwege müssen weg. Das ist noch nicht rechtskräftig. Die Stadt will Beschwerde einlegen."
Peter Gwiasda hält die Argumentation des Berliner Gerichts für kühn. Er arbeitet für die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, die auch in dem Berliner Gerichtsbeschluss zitiert wird.
Das Gericht, so Geiasda, beziehe sich auf einen Paragraphen der Straßenverkehrsordnung, der eigentlich Radfahrer schützt. Demnach sind Radfahrende nicht zur Benutzung schlechter Radwege verpflichtet – Stichwort Radwegbenutzungspflicht. Das Gericht drehe die Regel um und sage: Der Radweg sei nicht gerechtfertigt, weil keine Gefahr bestehe. Im Prinzip spreche nichts dagegen, dass Städte Radwege auf Straßen anlegen und allgemeiner den Platz für den so platzintensiven motorisierten Individualverkehr verringern, sagt Verkehrsplaner Peter Gwiasda.
"Ich kann als Kommunalparlament hingehen und sagen: Da müssen zehn Parkplätze verschwinden. In der Vergangenheit war der Mut oft nicht da, aber es geht."
Pop-Up-Radwege sind zu einem Symbol für kleine Zugeständnisse der kommunalen Verkehrspolitik gegenüber Radfahrenden geworden. Vergleichbare Projekte in Leipzig, München, Nürnberg und Stuttgart bleiben von dem Urteil unberührt. Keineswegs müssten Autos in der Verkehrsplanung Vorrang haben, sagt unser Reporter Dominik Peters. Das stehe nirgendwo geschrieben. Vielerorts sei die Denkweise allerdings seit Jahrzehnten "Auto first!", bestätigt Peter Gwiasda.
"Alles andere hat man um das Auto herumgruppiert, dass es nicht stört. Das ist die alte Denkweise, die aber noch in vielen Köpfen drin ist."
Im Gerangel um Platz im städtischen Verkehrsleben setzt Peter Gwiasda auf die Kraft von Kompromissen. Tempolimits für Autos in den Städten und mehr Flächen für Radfahrer sind für ihn zentrale Themen der Verkehrsplanung.
"Generell sollte der Verkehr schon funktionieren. Ich kann nicht einfach so tun, als ob es keine Autos gäbe. Aber es ist trotzdem sehr viel Potential drin."
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