Rache muss nicht per se schlecht sein, sagt der Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Es gebe nur zwei Regeln: Keine Verletzten. Keine Unbeteiligten. Doch Rache ist ein zweischneidiges Schwert.

Für diesen Valentinstag hat sich der Zoo in El Paso, Texas, etwas ganz besonderes einfallen lassen: Wer möchte, darf eine Kakerlake nach seinem oder seiner Ex benennen - und dabei zusehen, wie sie am 14. Februar von einem Erdmännchen verspeist wird. 

"Kreative Rache" würde das wohl der Psychotherapeut Wolfgang Krüger nennen. Er sagt: Rache ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Sie könne auch eine Form der "Psycho-Hygiene" sein. Ein Mittel also, damit ich mich wieder besser fühle. Ein Vehikel, um mein Ego wieder in Ordnung zu bringen - falls das eben nötig sein sollte.

"Wir sagen ja auch: Rache ist süß. Das kann durchaus Freude machen. Die Kränkung, die das Leben bereithält, die muss ich ja ausgleichen. Ich muss ja mein Ego wieder in Ordnung bringen."
Wolfgang Krüger, Psychotherapeut

Wolfgang Krüger erzählt von einer Frau, die eine ganz besondere Form der Rache für sich fand, nachdem sie das Adressbuch ihres Mannes mit den Kontakten seiner Geliebten entdeckte: Sie feierte ein rauschendes Fest, lud die anderen Frauen dazu ein - und "alle Frauen haben diesem Mann dann vermittelt: Das war jetzt das letzte Mal, wir hören auf."

Es dem anderen kreativ heimzahlen

Sich rächen ohne zu bereuen - damit das klappt, sollte es in erster Linie darum gehen, dass wir uns selbst besser fühlen - und nicht darum, dem anderen weh zu tun. Von daher lauten die Regeln der "süßen Rache" wie folgt:

  1. Keine Verletzten
  2. Keine Unbeteiligten
"Es gibt richtig schöne kreative Möglichkeiten, dem anderen eins heimzuzahlen. Aber das muss ich quasi spielerisch tun und auch ein Stück weit so, dass ich da etwas davon habe."
Wolfgang Krüger, Psychotherapeut

Im Falle der Kakerlaken könnte man nun schon von unbeteiligten Opfern sprechen. Auch wenn diese Aktion in gewisser Weise sehr kreativ ist. Wolfgang Krüger sieht das gelassen: "Das finde ich ein ausgesprochen witziges Spiel. So ähnlich wie die Voodoo-Technik, wo ich dem anderen den Teufel an den Hals wünsche, aber in Wirklichkeit schädigt es nicht."

Hinter Rache steckt Trauer

Ganz anders beurteilt das Rüdiger Wacker. Er ist Psychologe und Paartherapeut. Er sagt, mit so einer Kakerlaken-Aktion, "befeuere ich letztendlich meine eigene Aggression - und die wird dann nicht satt sein." In diesem Sinne ist Rache ein zweischneidiges Schwert - sie kann uns selbst auch schaden.

"Ich habe Menschen bei mir in der Praxis, nach Trennungen oder nach Gewalterfahrungen. Und natürlich gibt es da alle möglichen Gedanken von Reifen aufschneiden oder auch wirklich Gewalt antun. Nur damit ist ja letztlich niemandem geholfen", sagt Wacker.

Aus seiner Erfahrung als Therapeut weiß Rüdiger Wacker, dass hinter vielen Rachegedanken letztlich eine unbewältigte Trauer steckt. Rachegedanken an sich seien ganz normal. Die gelte es aber zu bewältigen, meint er. Nur so finde man seinen Frieden. 

Wenn es nach ihm geht, dann werden an diesem Valentinstag in Texas also keine Kakerlaken stellvertretend verfüttert. Unter dem Facebook-Posting des Zoos gibt es allerdings schon über 1.800 Einträge. Und nicht nur der oder die böse Ex werden da als Name genannt, sondern auch der gemeine Chef oder Präsident Donald Trump.

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Shownotes
Enttäuschung, Trauer
Sich rächen und gut fühlen dabei
vom 07. Februar 2019
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Autorin: 
Rebekka Endler