Arbeit, Privatleben und darüber hinaus: überall nur schlechte Nachrichten. Bestimmte Kniffe und Tricks können uns helfen, solche Durststrecken gut durchzustehen.

Die Pandemie zieht sich in die Länge, unsere Nerven sind strapaziert. Wir schalten die Nachrichten an: Klimakrise, steigende Inzidenzwerte, Tod eines Prominenten, der unsere Jugend geprägt hat – alles scheint im Argen. Egal was, schon eine Kleinigkeit kann dann das Fass zum Überlaufen bringen.

Bei unserem Reporter Stephan Beuting ist es das verstopfte Klo – mehrfach waren Handwerker da, aber die Ursache lässt sich weder leicht feststellen, noch lässt sich das Problem schnell beheben.

Die gluckernde Toilette neben seinem Homeoffice-Büro stresst unseren Reporter ungemein. Klar, schön ist ein verstopftes Klo nicht, aber dadurch, dass wir uns wahnsinnig darüber aufregen, wird es auch nicht besser.

"Das Stressniveau ist sehr hoch und wir sind anfälliger für kleine Situationen die uns früher nicht aus dem Tritt gebracht haben, die aber jetzt dafür sorgen, dass wir schneller wütender, trauriger, ärgerlicher sind."
Michèle Wessa, Resilienz-Expertin

Im Vorteil sind diejenigen, die sich gut von Stress erholen können: egal, ob es um ein verstopftes Klo – sozusagen eine Kleinigkeit geht – oder um ein einschneidendes Erlebnis, einen Schicksalsschlag beispielsweise.

Auf Veränderungen und Herausforderungen reagieren zu können, widerstandsfähig zu sein, über gewisse Bewältigungsstrategien zu verfügen – all das gilt für Menschen, die als resilient bezeichnet werden.

Bei Herausforderungen anpassungsfähig sein

Diesen Menschen gelingt es besser durch Krisen zu kommen. Wer das Gefühl hat, schwierige Situationen gut meistern zu können, schaut auch eher mit einem gewissen Optimismus und Gelassenheit in die Zukunft.

Zum einen trägt unsere Resilienz somit zu unserer Gesundheit bei, denn Optimisten leben länger. Zum anderen gibt sie uns das Gefühl, dass wir unser Leben unter Kontrolle haben.

"Warum immer ich?" – wenn wir keine Kontrolle haben

Unser Reporter Stephan Beuting regt sich möglicherweise auch so sehr über die verstopfte Toilette auf, weil es außerhalb seiner Kontrolle liegt und er selbst nichts anders tun kann, als Installateure herbeizurufen. Als die das Problem nicht lösen können, fragt sich Stephan dann: "Warum immer ich?"

Sobald wir aber das Gefühl haben, dass die Kontrolle bei uns liegt, bleibt auch kein Grund mehr für Selbstmitleid, denn Jammern hilft nicht weiter! Resilienz kann somit dazu beitragen, dass wir uns insgesamt zufriedener fühlen.

Mit resilientem Verhalten gut durch den zweiten Corona-Winter

Was aber, wenn wir das Gefühl haben, eben nicht resilient zu sein. Wenn der ganze Stress uns scheinbar über den Kopf wächst und alles und jeder nur noch nervt.

"Was nie gut ist, aber gerade jetzt nicht: in diesen Autopilot-Modus, den ganzen Tag durchzulaufen ohne innezuhalten."
Michèle Wessa, Resilienz-Expertin

Wer sich nicht als widerstandsfähig und stressresistent empfindet, kann auf kleine Übungen und Verhaltensweisen zurückgreifen, um die eigene Perspektive zu verändern und die eigenen Probleme mit etwas Abstand zu betrachten.

Wir können einüben, was wir tun können, um erst einmal herunterzukommen: durchatmen und unseren Fokus auf Positives lenken, selbst dann, wenn wir das Gefühl haben, dass nichts Aufheiterndes und Ermunterndes passiert. Denn oft gibt es kleine Lichtblicke, die wir nicht wahrnehmen, weil wir uns zu sehr auf unsere Probleme konzentrieren.

Linsen-Übung – Lichtblicke erkennen

Die Resilienz-Expertin Michèle Wessa rät zur Linsen-Übung, um unsere Aufmerksamkeit auf Positives zu lenken und diese Dinge bewusst in dem Moment wahrzunehmen, wenn sie geschehen.

Dafür braucht es nicht viel: ein paar Linsen und eine Hosentasche. Morgens geben wir dann eine Handvoll Linsen in die linke Hosentasche. Und immer wenn etwas Gutes passiert, nehmen wir eine Linse heraus und platzieren sie in der rechten Hosentasche. Das kann alles Mögliche sein, was uns für einen kurzen Moment Freude bereitet: ein Sonnenstrahl, ein Kompliment für die Frisur, ein nettes Gespräch beim Bäcker.

Wenn wir abends das Gefühl haben, dass es ein Tag schlecht gelaufen ist, hilft meist ein Blick in die rechte Hosentasche, in der wir bestenfalls ein paar Linsen finden können. Und möglicherweise erinnern wir uns dann auch daran, was gut an diesem Tag gelaufen ist.

Progressive Muskelentspannung

Auch ein paar Entspannungsübungen können uns helfen, uns zu sammeln und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wer in stressigen Situationen kurz in sich hineinspürt, merkt vielleicht auch, dass er die Nackenmuskeln angespannt und die Schulter möglicherweise hochgezogen hat.

Die Resilienz-Expertin Michèle Wessa empfiehlt unserem Reporter Stephan Beuting progressive Muskelentspannung auszuprobieren und erklärt ihm, wie diese Technik funktioniert:

Hinspüren, anspannen, Spannung anhalten, loslassen und nachspüren. Schon diese kleine Übung kann einen Effekt haben.

Expressives Schreiben

Auch das Online-Resilienztraining der Uni Mainz probiert unser Reporter aus. Es trägt den Titel "Auf Kurs bleiben". Der Effekt des Trainings ist wissenschaftlich belegt. Ursprünglich war das Programm als Präsenzkurs angelegt. Wegen der Pandemie gibt es das Training in einer kleineren kostenlosen Version im Netz.

Wer das Training absolviert, wird dazu aufgefordert, sich einen besonders schlechten Tag herauszusuchen und dann alles aufzuschreiben, was ihn oder sie gerade beschäftigt. Expressives Schreiben heißt die Technik.

Sich zu äußern und Gefühle auszudrücken, empfiehlt auch die klinische Psychologin und Körper-Therapeutin Toyah Priyadarshini Sitz. Sie sagt, dass wir auch mal "wütend sein und den Ärger rauslassen" dürfen. Beim Resilienztraining der Uni Mainz erfolgt das schriftlich.

Mehr Distanz durchs Aufschreiben

Unser Reporter probiert es aus: Er schreibt über den Abfluss und all die unerledigten Aufgaben, die er noch vor sich hat. Dabei merkt er, dass ihm alleine schon die Tatsache hilft, dass er sich beim Schreiben von außen betrachtet. Die Beobachtungen, die er mit seinen Notizen dokumentiert, wirken zudem beruhigend auf ihn.

Auch wenn das Stephans eigentliches Problem mit dem verstopften Klo nicht löst, so hat er möglicherweise den Kopf wieder etwas freier, um sich auch anderen Aufgaben zu widmen. Dann weiß er beim nächsten Mal, wenn ihn etwas stresst auch, was er tun kann, um einen klaren Kopf zu bewahren.

Lass dir helfen!

Bestimmte Dinge beschäftigen dich im Moment sehr? Du hast das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn du dir im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen kannst oder möchtest, findest du hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

  • Telefonseelsorge: Unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 erreicht ihr rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen ihr über eure Sorgen und Ängste sprechen könnt. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.
  • Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.
  • Hier findest du eine Übersicht von Telefon- und Online-Beratungen in Deutschland: suizidprophylaxe.de.
  • Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030-44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
Shownotes
Resilienz
Wie wir gut durch den Winter kommen
vom 10. Dezember 2021
Moderator: 
Thilo Jahn
Autor: 
Stephan Beuting, Deutschlandfunk Nova