Eine bekannte vegane Food-Bloggerin wird beim Fisch-Essen erwischt. Auch wenn sie dafür gute Gründe hat, ihre Follower werfen ihr vor, ihnen etwas vorgemacht zu haben. Aber steckt nicht in uns allen ein bisschen Scheinheiligkeit, wenn wir zum Beispiel Nachhaltigkeit predigen und dann doch auch mal Salat in der Plastikschüssel kaufen? Unsere Reporterin Rebekka Endler hat das genauer hinterfragt.
Eine vegane Influencerin wird beim Fisch-Essen erwischt. Da ist der Shitstorm vorprogrammiert. Da spielt es auch keine Rolle mehr, wenn die Bloggerin auf Rat der Ärzte ihre Ernährung umstellen musste. Auch die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg isst im Zug einen Toast aus der Plastikverpackung. Und auch hier schimpfen die Menschen "Wie kann sie nur?!".
Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir gerne wären, sagt die Philosophin Catherine Newmark. Und aus dieser Differenz ergebe sich so etwas wie die Scheinheiligkeit.
"Wir messen uns ganz gerne mehr an unserem eigenen Ideal als an unserer eigenen Realität. Und aus dieser Differenz ergibt sich so etwas, wie die Scheinheiligkeit."
Ein Foto wird zur Anklage
Auch Kathrin Schulze von den Grünen musste sich Scheinheiligkeit vorwerfen lassen: Sie postete im Urlaub ein Bild von einem Eis mit Plastiklöffel. Natürlich war das ein Thema für die Medien. Wir leben nun mal in einer Welt, in der kaum eine Handlung eines Prominenten geheimgehalten werden kann, meint Catherine Newmark. Ein Foto könne so schnell zur Anklage werden. Und das passiert häufig bei diesen kleinen Fehltritten - immer dann, wenn jemand an seinen eigenen Ansprüchen, an seiner eigenen Selbstinszenierung scheitert.
Häme, Spott und Schimpf ist der Lohn. Andere messen wir nämlich ganz gern an ihren eigenen Maßstäben. Doch mit uns selbst gehen wir nicht so hart ins Gericht, erklärt die Philosophin - und zitiert dazu Nietzsche: "'Das habe ich getan', sagt mein Gedächtnis. 'Das kann ich nicht getan haben', sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach."
"Wir könnten uns aber auch anders entscheiden. Keine Steine aus dem Glashaus werfen, sondern ein bisschen mehr Gekehre vor der eigenen Haustür."
Unsere eigenen Fehler verzeihen wir uns leicht. Und vielleicht sei es deshalb angebracht, nicht mit Steinen aus dem Glashaus zu werfen, meint unsere Reporterin Rebekka Endler. Sondern lieber ein bisschen mehr vor der eigenen Haustür kehren."Nur so können wir dauerhaft am Spannungsverhältnis von Schein und Sein arbeiten. An uns selbst."
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