Er fraß Christoph Kolumbus zahlreiche Schiffe unterm Hintern weg, schwächte die Spanische Armada und ist verantwortlich für eine Überflutungskatastrophe in Holland. Der 20 Zentimeter Schiffsbohrwurm, der eigentlich eine Muschel ist.

Nur ganz zu Beginn seiner Entwicklung ähnelt der Schiffsbohrwurm überhaupt einer Muschel, mit der für sie typischen Schale. Bei den erwachsenen Muscheln ist der Körper hingegen um rund 20 Zentimeter wurmartig verlängert. Die stark verkleinerten Muschelschalen sind in diesem Stadium zu einem wirkungsvollen Bohrgerät umgewandelt. Fast könnte man sagen, die Muschel sieht aus, wie ein Regenwurm mit einem Bohrapparat am Kopf.

Schiffe versenken als Kollateralschaden

Der Schiffsbohrwurm ernährt sich von der Zellulose, die im Holz enthalten ist. Um an die häufigste organische Verbindung auf unserem Planeten heranzukommen, fräst er zahlreiche, tiefe Gänge in das Holz und wandelt das abgeraspelte Bohrmehl in Zucker um. Seit Menschengedenken verspeist der Wurm auch menschliche Holzkonstruktionen wie Brücken, Stege oder Schiffe mit nicht ganz unbedeutendem Einfluss auf die Weltgeschichte.

"Die Spanische Armada hätte 1588 wohl keine Niederlage erlitten, wäre sie nicht vom Schiffsbohrwurm angenagt worden."
Mario Ludwig, Tierexperte

Vier Schiffe verlor der italienische Seefahrer Christoph Columbus auf seiner vierten Amerikafahrt und über 200 Jahre später löste der Schiffsbohrwurm 1731 sogar eine Überflutungskatastrophe in Holland aus, als die Muscheln die hölzernen Seewehre und Deichtore so durchlöchert hatten, dass bei einer Sturmflut die Tore brachen und halb Holland unter Wasser gesetzt wurde. Und auch heute noch sind menschliche Bauten wie die Küstenbefestigungsanlagen an Nord und Ostsee bedroht.

Zerstörte Buhnen an de Ostsee
© dpa
Vom Schiffsbohrwurm zerfressene Buhnen

Tropenholz an der Ostsee

Diese Buhnen sind nämlich immer noch aus Holz, weil sich Stahlbuhnen nicht bewährt haben. 1993 führte eine Inspektion der mecklenburg-vorpommerischen Buhnenanlagen zu einem disaströsen Ergebnis: Insgesamt 410 von 1023 Buhnen hatte der Bohrwurm so stark geschädigt, dass sie sanierungsbedürftig waren. Der festgestellte Schaden: 25 Millionen DM.

"Klassische Schutzanstriche schützen zwar, sind aber giftig und möglicherweise sogar kanzerogen."
Mario Ludwig, Tierexperte

Im Kampf gegen den Wurmbefall wird zurzeit zertifiziertes Tropenholz eingesetzt, weil der Schiffsbohrwurm aufgrund der enormen Härte dieser Hölzer nur die äußeren Schichten befällt, nicht aber in den harten Kern des Holzes vordringen kann.

Shownotes
Das Tiergespräch
Gebohrt, versenkt
vom 04. Februar 2015
Autor: 
Mario Ludwig
Moderatorin: 
Inga Hinnenkamp