Felicia lebt seit fast drei Jahren in den USA. An die etwas oberflächliche Freundlichkeit der Amerikaner musste die 25-Jährige sich erstmal gewöhnen. Doch sie meint: Nicht alles ist schlecht daran.
Als Felicia die ersten Male an der Supermarktkasse in Cincinnati gefragt wurde, wie das Wochenende war, wusste sie nicht genau, was sie erzählen soll. "Da muss man sich erstmal ein bisschen drauf einlassen", sagt die Münchnerin. "Dass man nicht das Gefühl hat, dass man da etwas Persönliches von sich preisgibt."
Amerikanischer Small Talk – nicht vereinbar mit der deutschen Mentalität?
Die 25-Jährige lebt seit fast drei Jahren in den USA und meint: In Amerika kann man sich sehr gut sehr lange unterhalten. "Aber das ist total unverbindlich." Smalltalk sei eben eine Höflichkeitssache, deren Inhalt die meisten nach einer Stunde wieder vergessen haben.
Den Unterschied zwischen deutscher und amerikanischer Smalltalk-Kultur merke man schon bei der Erwartung zu einer einfachen Frage wie "Wie geht es dir?", meint Felicia: "Das ist einfach eine Begrüßung." Wenn ihr das früher jemand auf dem Campus zurief, ist Felicia stehengeblieben und wollte das Gespräch auch tatsächlich führen – der Kommilitone lief dann aber meistens einfach weiter.
"In manchen Fällen führt das zu etwas Ernsterem, aber in vielen Fällen auch nicht."
Das hat aber auch seine Nachteile: Es sei nicht so einfach, über die Smalltalk-Ebene hinwegzukommen und Freundschaften aufzubauen – obwohl Felicia das Prinzip inzwischen verstanden hat. "Ich weiß bei manchen Freunden immer noch nicht so ganz, woran ich bin." Sie sei da aber nicht die einzige, erklärt die Münchnerin: Auch Amerikanern selbst fiele es schwer, das genau einzuschätzen, weil der Übergang zwischen Smalltalk und ernsthaftem Gespräch fließend sei.
Besonders schwer fällt es Felicia einzuschätzen, ob die Pläne, die nach solchen Gesprächen oft gemacht werden, ein ernster Vorschlag sind oder nur eine lose Idee.
"Das ist echt schwierig einzuschätzen, wer das dann ernst meint und wer nicht."
Beim Flirten ist die Smalltalk-Kultur noch extremer, erzählt Felicia: Es fallen viele Komplimente, und es wird sehr schnell sehr viel von sich selbst preisgegeben. "Da findet auch sehr viel vorgespieltes Interesse statt", meint die 25-Jährige. "Die sind halt sehr gut darin, Nachfragen zu stellen und ein Gespräch am Laufen zu halten, auch wenn es sie eigentlich gar nicht ehrlich interessiert."
Das Problem: Ob das Gegenüber tatsächliches Interesse hatte oder nur Aufmerksamkeit vorgegaukelt hat, merkt man nach Felicias Erfahrung meistens erst nach und nicht während der Situation – je nachdem, ob die Person sich zurückmeldet oder nicht. "Es kann wirklich sein, dass man ein tolles Gespräch hat mit jemandem, dass man auch Nummern austauscht und vielleicht sogar eine Verabredung ausmacht – und sich die Person dann nie wieder meldet."
Inzwischen hat die 25-Jährige sich angepasst: Sie hat zum Beispiel im Gespräch instinktiv Themen und Fragen für ihr Gegenüber parat. Auch wenn die Antworten sie nicht unbedingt interessieren.
"Mir fallen wirklich lauter Themen ein, über die ich mit dieser Person reden könnte, obwohl es mich eigentlich gar nicht so interessiert."
Als sie zum ersten Mal nach einer Weile in den USA wieder zuhause war, war ihr die deutsche Nüchternheit erstaunlich unangenehm: "Ich bin es ja eigentlich gewohnt", hat sie sich nach einem Erlebnis mir einer unfreundlichen Bäckereifachverkäuferin gedacht. "Aber irgendwie war das echt heftig. Ich hab wirklich gemerkt, dass ich das Freundliche vermisse – weil es ja auch eigentlich nicht viel kostet."
Die Münchnerin mag auf der anderen Seite die ehrlichen, reflektierten Freundschaften, die sie in Deutschland pflegt. Deshalb wünscht sie sich inzwischen eine goldene Mitte aus amerikanischer Freundlichkeit und deutscher Ehrlichkeit.
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