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Laut einer neuen Studie fänden es 40 Prozent der Deutschen gut, wenn sie das Verhalten ihrer Mitmenschen positiv oder negativ im Netz bewerten könnten. Warum nur?

Zwei von fünf Deutschen fänden die Möglichkeit "eher gut" oder "sehr gut", das Verhalten ihrer Mitmenschen bewerten zu können. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts Yougov, in Kooperation mit dem Sinus-Institut. Fast genauso viele hätten auch kein Problem damit, wenn sie selbst durch andere bewertet würden. 

Doris Teutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie an der Universität Hohenheim, wundert sich über die Ergebnisse nicht. Sie sagt: Bewerten ist menschlich.

"Auf den ersten Blick ist man natürlich schockiert und denkt: Wir sind doch nicht in China. Andererseits wundert es mich auch nicht, weil wir Menschen uns natürlich ständig gegenseitig bewerten."
Doris Teutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie, Universität Hohenheim

Wir Menschen reden gerne über andere Menschen, sagt Doris Teutsch - und dieser Klatsch beinhalte immer auch eine Bewertung. Die wir inzwischen allen möglichen Personen und Dingen geben: Ärzten, Lieferdiensten, Restaurants, Schulen, Produkten. Alles mögliche wird im Netz bewertet, bekommt Punkte, Sternchen, Smileys oder auch nicht.

"Immer dann, wenn wir negative Erfahrungen gemacht haben oder jemanden besonders toll finden, möchten wir diese Erfahrung besonders gern weitergeben."
Doris Teutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie, Universität Hohenheim

Gerade das Internet hat durch den Onlinehandel, durch Dienstleistungen, die im Internet angeboten und ausgetauscht werden, Kontexte geschaffen, in denen Bewertungen notwendig geworden sind. Diese Bewertungen sind "ein Ersatz, weil wir keine Beziehungen aufbauen können", sagt Doris Teutsch.

Ratings und Rezensionen sind eine Form von Währung geworden, die über den Ruf und den wirtschaftlichen Erfolg von Ärzten, Handwerkern oder Schlüsseldiensten entscheiden können. Oder über die Chance als Airbnb-Gast, bei der nächsten Wohnungsbuchung  akzeptiert zu werden.

Ein Score, der entscheidet

Anders sähe es aus, wenn wir soziale Interaktion nur so bewerten würden, einfach weil wir es können - nicht, weil es um die Bewertung eines konkreten Verhaltens geht, das den Mangel von Beziehungen ausgleicht. Und wenn all diese Daten an einer Stelle zusammen laufen würden, um daraus einen "Score" zu entwickeln - eine Zahl, die an uns klebt.

"Jeder von uns ist schon mal Bahn gefahren und hat sich über jemanden aufgeregt, der laut telefoniert hat - und würde sich heimlich wünschen, er könnte dann einfach einen Button drücken und sagen: Dem gebe ich jetzt mal ein Rating."
Doris Fischer, Professorin für China Economics an der Universität Würzburg

Wir werden schon bewertet

Doris Fischer ist Professorin für China Economics an der Universität Würzburg und kennt das chinesische "Social-Credit-System" sehr gut. Sie sagt, wir schimpfen hier zwar viel und teilweise auch zurecht darüber, ließen dabei aber außer Acht, dass wir ähnliche Bewertungen auch bei uns hätten. So wurde sie von ihrem Handyprovider als "Silberkunde" bewertet. Wie und warum sei ihr schleierhaft.

"Ich bin neulich bei meinem Handyprovider auf der Seite gewesen. Und da wurde mir gesagt, ich sei ein Silberkunde. Wie bin ich da rein gekommen? Was habe ich getan?"
Doris Fischer, Professorin für China Economics an der Universität Würzburg

Kundenpunkteprogramme, Treuesysteme – das sind alles indirekt auch Kundenbewertungen. Es sind Bewertungen über die Qualität von uns in der Funktion als Konsument. "Wir werden ja auch schon bewertet", sagt daher Doris Fischer. Der Unterschied zu China sei, dass es dort eine staatliche Strategie gebe, die auf ein Social-Credit-System hinarbeite.

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Shownotes
Social Scoring
Über den Wunsch, unsere Mitmenschen zu bewerten
vom 05. Februar 2019
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Autorin: 
Rebekka Endler