Generation Y hat keine Lust zu arbeiten, Gen Z ist faul und die Boomer arbeiten sich zu Tode. An diesen Aussagen ist Vieles falsch, sagt Soziologe Martin Schröder. Die Zuschreibungen seien nämlich nicht belegbar – und die Existenz der Generationen ebensowenig. Stattdessen würden sich unsere Einstellungen mit dem Alter verändern.

Zwar liegt es auf der Hand, dass Pauschalisierungen, Vorurteile und allgemeine Zuschreibungen zu sehr vereinfachen und das Leben in seiner Vielfalt und mit allen Veränderungen und Entwicklungen nicht abbilden. Trotzdem boomt Generationismus. Wissenschaftlich untersucht hat den jetzt Martin Schröder, Soziologe an der Universität des Saarlandes.

Martin Schröder hat die Einstellung zur Arbeit unterschiedlicher Generationen anhand hunderttausender Umfragen der vergangenen vier Jahrzehnte untersucht. Die Annahme: Die Einstellungen der Menschen unterscheiden sich aufgrund ihres Geburtszeitpunkts, egal wann und in welchem Alter sie befragt werden.

Generationenzuschreibungen nicht belegbar

Doch das Ergebnis seiner Untersuchung zeigt: Menschen verändern im Laufe ihres Lebens ihre Einstellung. Fragt man Jüngere, hat Arbeit noch keinen hohen Stellenwert in ihrem Leben. Genauso für Ältere jenseits der 70, für die Arbeit keine große Rolle mehr spielt. Werden die Jüngeren aber später noch einmal im Alter von 40 oder 50 Jahren befragt, hat sich ihre Einstellung zu Arbeit verändert, sie spielt eine deutlich größere Rolle. Ebenso wenn die Älteren zu einem früheren Zeitpunkt in ihrem Leben befragt werden, nimmt Arbeit einen höheren Stellenwert ein. Der Soziologe bezeichnet das als Alterseffekt.

"Wenn heute der 40-Jährige sagt, der 20-Jährige hat gar keine Lust zu arbeiten, dann ist das eine richtige Beschreibung. Nur es ist kein Generationeneffekt, es ist ein Alterseffekt."
Martin Schröder, Soziologe an der Universität des Saarlandes

Für den Soziologen folgt daraus: Die Einstellungen der Menschen verändern sich mit dem Alter. Aus den Umfragen werde aber auch deutlich, dass sich insgesamt in der Gesellschaft die Einstellung zu Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten weltweit verändert hat. Damit beschreibt er den Periodeneffekt. "Seit 1850 sinkt die Arbeitszeit immer weiter, und die gewünschte Arbeitszeit sinkt auch immer weiter. Das ist aber keine Generationenfrage. Wir alle denken heute anders als früher", folgert Martin Schröder.

Einstellungen verändern sich: Kein Generationeneffekt, sondern Alterseffekt

Die Untersuchung zeige auch, wie gesellschaftliche Veränderung funktioniere. Die werde nicht von einer neuen Generation angeschoben, die gerade am Entstehen sei, sondern dadurch, dass gesamtgesellschaftlich sich Einstellungen verändern. "Das ist aber eigentlich auch ganz schön, weil uns das ja viel mehr zu einer Gesellschaft macht, statt dass da irgendwelche Generationen sich gegenüberstehen, die völlig unvermeidbare Einstellungen haben und es darum dann auch so etwas wie einen Generationenkonflikt geben würde", sagt der Soziologe.

Schließlich lasse sich aus seiner Untersuchung weder belegen, dass es überhaupt Generationen gibt, noch dass diese unterschiedlich ticken würden.

"Ich kann die Einstellung von Menschen nicht damit erklären, wann sie geboren wurden, weder in Deutschland noch in anderen Ländern."
Martin Schröder, Soziologe an der Universität des Saarlandes

Warum um das Generationending so ein Hype gemacht wird, erklärt sich der Soziologe so:

  • Menschen verdienen Geld damit
  • Generationeneinteilungen nutzen wir für Diskriminierungen
"Es scheint uns einfach sehr gut zu gefallen, diese Kategorien zu haben, mit denen wir diskriminieren können. Und dafür nehmen wir dann halt die Generationen, obwohl eigentlich nicht viel dran ist."
Martin Schröder, Soziologe an der Universität des Saarlandes
Shownotes
Soziologe
"Der Generationenkonflikt ist konstruiert"
vom 18. November 2023
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Martin Schröder, Soziologe an der Universität des Saarlandes