Deutschland hat eine in der Verfassung festgelegte Schuldenbremse. Doch die ist umstritten. Schließlich soll sie 2023 das vierte Jahr in Folge ausgesetzt werden. Daher gibt es Ideen für eine Reform. Doch dafür müssten Koalition und Opposition kooperieren.

Ist etwas in der Verfassung festgeschrieben, ist das ein klarer Indikator dafür, dass es in einem Staat als Wert, Haltung oder Recht wichtig ist. Die Schuldenbremse gehört in Deutschland dazu. Seit 2016 steht sie im Grundgesetz.

Die Praxistauglichkeit der Schuldenbremse

Laut Gesetz darf die jährliche Schuldenaufnahme maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Ausnahmen sind möglich, wenn eine außergewöhnliche Notlage festgestellt wird – wie nun viermal in Folge geschehen. Rückwirkend ist das für 2023 wie bereits im Jahr zuvor die Energiekrise aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

"Die Schuldenbremse sieht vor, dass der Staat mit dem Geld auskommt, das er hat und kaum neue Schulden aufnimmt."
Mischa Ehrhardt, DLF-Wirtschaftsredaktion

Wenn jedoch innerhalb von sieben Jahren, in denen es die Schuldenbremse in dieser Form gibt, diese vier Mal ausgesetzt wurde, scheint die Frage berechtigt, wie sinnvoll das Instrument ist.

Für eine Verfassungsänderung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit

Zwar ist die Schuldenbremse sinnvoll, um eine starke Staatsverschuldung wie in Italien oder Griechenland zu verhindern, sagt Mischa Ehrhardt aus der Deutschlandfunk Wirtschaftsredaktion. Die Schuldenquote liegt in Deutschland bei 65 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. "Die ist relativ niedrig und liegt nur knapp über dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent", erklärt Mischa Erhardt. Maastricht-Kriterium heißt, alle EU-Mitgliedsstaaten sollten sich über diese 60 Prozent hinaus nicht verschulden. "Deutschland gilt in Europa noch als Musterschüler", so Mischa Erhardt.

"In guten Zeiten macht es Sinn, schwäbische Disziplin an den Tag zu legen und gut zu haushalten. Aber man sollte sich nicht selbst fesseln, wenn Krisenzeiten auftreten."
Mischa Ehrhardt, DLF-Wirtschaftsredaktion

Dass die Schuldenbremse in Deutschland abgeschafft wird, hält Mischa Ehrhardt nicht für realistisch, eine Reform jedoch sei vorstellbar und nötig.

Diese könnte beinhalten:

  • Anheben der Schuldenbremse von 0,35 auf zum Beispiel 1,5 Prozent
  • bestimmte Investionen werden von der Schuldenbremse augenommen
  • Änderung der Berechnungsgrundlage
  • flexible Grenze in Abhängigkeit von der Wirschaftslage

"Das heißt: In guten Zeiten dürften weniger Schulden gemacht werden, in schlechten dafür mehr", so Mischa Erhardt.

Derzeit diskutieren SPD, die Grünen und die Union eine Reform der Schuldenbremse. Die FDP hält an der jetzigen Variante fest. Eine Änderung der Schuldenbremse erfordert aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Mit anderen Worten: Die Ampelkoalition und zumindest Teile der Opposition müssten miteinander kooperieren. Und um dahin zu kommen, wird es einiges an Geduld und guten Kompromissen brauchen.

Shownotes
Staatshaushalt
Wie eine Reform der Schuldenbremse aussehen könnte
vom 30. November 2023
Moderation: 
Thilo Jahn
Autor: 
Mischa Ehrhardt, DLF-Wirschaftsredaktion