Eine Studie über Feinstaub kommt zu einem erschreckenden und medienwirksamen Ergebnis: 8,8 Millionen zusätzliche Tote weltweit - jedes Jahr. Die Kritik an dieser Studie fasst Wissenschaftsjournalist Axel Bach für uns zusammen.

"Schlechte Luft ist schlecht für unsere Gesundheit" - das Ergebnis der Studie des Mainzer Max-Planck-Instituts und der Universität Mainz überrascht nicht. Viel bemerkenswerter ist, dass die Autoren der Studie von 8,8 Millionen "vorzeitigen Todesfällen" weltweit sprechen. Das besondere an der Studie ist, dass die Forscher berechnet haben, wie stark die Luftverschmutzung weltweit ist. Diese basiert nicht auf den tatsächlichen Messwerten weltweit, die es auch gar nicht für alle Regionen in der Welt gibt. Die Wissenschaftler berechnen vielmehr eine "virtuelle" Luftverschmutzung und verknüpfen sie mit bekannten Daten aus den verschiedenen Ländern wie Bevölkerungsdichte, Krankheitsrisiken und Todesursache.

Todesursache "Feinstaub" gibt es nicht

Der Wissenschaftsjournalist Axel Bach kritisiert an der Studie, dass die Wissenschaftler ihre Ergebnisse in der Maßeinheit "vorzeitige Todesfälle" berechnet haben. Der Begriff "vorzeitige Todesfälle" bedeutet, dass Menschen sterben, bevor sie die durchschnittliche Lebenserwartung erreichen konnten. Diese Todesfälle lassen sich aber nicht allein auf die Feinstaubbelastung zurückführen, sondern es handelt sich um Erkrankungen, die durch die Feinstaubbelastung begünstigt wurden. Anders gesagt: Wäre die Luft nicht belastet, würden diese Menschen nicht krank werden und deshalb vorzeitig sterben. Auf Deutschland umgerechnet seien das 124.000 "vorzeitige Todesfälle" pro Jahr.

"Es sind natürlich keine echten Toten: Niemand stirbt aufgrund von Feinstaub. Aber er bekommt vielleicht Krankheiten, die er bei besserer Luft nicht bekommen hätte – und stirbt dann daran etwas früher."
Axel Bach, Wissenschaftsjournalist

In der Studie werden die Zahlen der Menschen die durch das Rauchen und Passivrauchen pro Jahr vorzeitig sterben - 7,2 Millionen - mit der Zahl von Menschen verglichen, die vorzeitig durch den Feinstaub in der Luft sterben, nämlich 8,8 Millionen.

Axel Bach kritisiert, dass diese Zahlen nicht aussagen, wie viel früher ein vorzeitiger Tod dadurch erfolgt: etwa eine Minute, einige Wochen oder mehrere Jahre früher und sie sagt nichts über das tatsächliche Gesundheitsrisiko aus, das von Feinstaub ausgeht.

Mathematiker kritisieren schon seit Jahren die Formel, mit der die Anzahl der "vorzeitigen Todesfälle" berechnet wird, sagt Axel Bach. Einige Mathematiker bezeichneten diese Formel sogar als falsch.

2,1 Millionen verlorene Lebensjahre

Statt der "vorzeitigen Todesfälle" werden in der Studie auch die "verlorenen Lebensjahre" berechnet, ein übliches Verfahren. Statt der 124.000 "vorzeitigen Todesfälle" im Jahr 2015 in Deutschland aufgrund von Feinstaub und Ozon, kommt man auf 2,1 Millionen "verlorene Lebensjahre".

Auch dieser Wert ist schwer einzuordnen, weil es sich um einen addierten Wert handelt. Also alle verlorenen Lebensjahren zusammengerechnet. Nimmt man den Durchschnittswert für jeden einzelnen Menschen, kommt man auf knapp zehn verlorene Tage, sagt Axel Bach.

"Die Studie belegt erneut, dass schlechte Luft schlecht für die Gesundheit ist, und dass Menschen wegen schlechter Luft früher sterben – auch bei uns in Deutschland."
Axel Bach, Wissenschaftsjournalist

Feinstaub belastet unsere Gesundheit. Die Wissenschaftler machen am Ende ihrer Studie konkrete Vorschläge, wie die Belastung reduziert werden kann wie zum Beispiel durch einen schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien.

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Shownotes
Feinstaub-Studie
Kritik an Berechnung der "vorzeitigen Todesfälle"
vom 13. März 2019
Moderator: 
Paulus Müller
Gesprächspartner: 
Axel Bach, Wissenschaftsjournalist