Auch in Bangladesch steigt die Inflation, die Löhne stagnieren seit Jahren. Die Gewerkschaften in Bangladesch fordern daher einen deutlich höheren Mindestlohn für Textilarbeiterinnen.

Es war das weltweit größte Unglück in der Geschichte der Textilindustrie: 2013 stürzte in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein. Über 1000 Menschen starben, knapp 2500 wurden verletzt, vor allem Näherinnen. Die Katastrophe zeigte auf dramatische Weise, unter welch schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen unsere Kleidung hergestellt wird.

Zehn Jahre danach haben sich zwar einige Sicherheitsmaßnahmen verbessert, doch die Lage der Arbeiter*innen ist nach wie vor prekär, vor allem finanziell. Seit fünf Jahren liegt der Mindestlohn in Bangladesch bei monatlich 8300 Taka, das sind umgerechnet rund 70 Euro. Laut Gewerkschaften sollte er mindestens dreimal so hoch sein, damit die Näherinnen vernünftig davon leben können.

Einigung nach Protesten

Gisela Burckhardt ist Vorsitzende des Vereins Femnet und setzt sich für die Rechte von Frauen in der globalen Textilindustrie ein. Sie berichtet, wie nach Protesten in Bangladesch eine aktuelle Tarifeinigung zustande kam: Bei den Verhandlungen schlug die Arbeitgeberseite (der Unternehmensverband) einen Mindestmonatslohn von 12.500 Taka, rund 105 Euro, vor. Die Regierung übernahm diese Summe. Die Arbeitnehmerseite, in Person eines Gewerkschaftsvertreters, erklärte sich damit einverstanden.

Letzterer war allerdings von der Regierung benannt worden. Burckhardt ist erstaunt über seine Zustimmung, denn die Gewerkschaften hatten ursprünglich 23.000 Taka, etwa 193 Euro, gefordert. Es gebe sehr viele unterschiedliche Stimmen zum Thema Lohnforderung, daher könne es erneut zu Protesten kommen.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele mit der Einigung zufrieden sind."
Gisela Burckhardt, Aktivistin und Vorsitzende von Femnet

Burkhardts Verein Femnet hatte im Vorfeld die internationalen Einkäufer, also Markenunternehmen aus Deutschland und Europa, gebeten, die Forderungen der Gewerkschaften in Bangladesch zu unterstützen. Die Firmen hätten sich jedoch nicht für die Arbeiterinnen engagiert, sondern abgewartet, "um die Lieferanten vor Ort nicht zu vergrätzen".

Die Marken werden also vorerst nicht mehr Geld bezahlen. Die Folge: Arbeiterinnen müssen weiterhin massiv Überstunden machen. Mehrere Familienmitglieder arbeiten so, um über die Runden zu kommen. Femnet hat eine Studie vor Ort unterstützt. Ihr Ergebnis: Durch die lange stagnierenden Löhne und die steigende Inflation entsteht eine Abwärtsspirale, 70 Prozent der Textilarbeiterinnen sind bereits hoch verschuldet.

Was können wir Käufer*innen tun?

Laut Gisela Burckhardt würde sich für Verbraucherinnen und Verbraucher kaum etwas ändern, wenn die Kleidung etwas teurer würde, denn die Lohnkosten machen lediglich einen Bruchteil des Preises aus. Wären die Löhne an ein annehmbares Niveau angepasst, würde das T-Shirt nur etwa 50 Cent mehr kosten. Vielleicht sei auch das noch zu hoch gegriffen, dies sei schwer zu berechnen.

"Der Anteil der Lohnkosten liegt bei rund einem Prozent bei uns im Ladenpreis."
Gisela Burckhardt, Aktivistin und Vorsitzende von Femnet

Bei einer Jeans für hundert Euro läge der Anteil des Lohns bei gerade Mal einem Euro.

  • Die Näherin vor Ort würde sehr davon profitieren, wenn wir als Käufer*innen bereit wären, ein bisschen mehr Geld für ein Kleidungsstück auszugeben.
  • Oder wenn das Modeunternehmen ein, zwei Euro weniger verdienen würde.
  • Am vernünftigsten sei es jedoch, gar keine neue Kleidung mehr zu kaufen und Second-Hand-Ware zu tragen.
Shownotes
Textilindustrie
Bangladesch: Streit um Lohn für Textilarbeiterinnen
vom 08. November 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Dr. Gisela Burckhardt, Vorsitzende des Vereins Femnet