Die Kinderarmut in Deutschland ist leicht gestiegen, sagt das Uno-Kinderhilfswerk Unicef – außerdem besteht das Risiko für Kinder, in die Armut abzugleiten. Im Ranking mit anderen reicheren Staaten der Welt ist Deutschland zurückgefallen. Am besten schneiden Dänemark, Slowenien und Finnland ab.

Mehr als eine Million Kinder in Deutschland leben mit der Gefahr, dauerhaft in die Armut abzurutschen. Das steht in einem aktuellen Unicef-Bericht über Kinderarmut in den reichsten Ländern der Welt.

Das Armutsrisiko für Kinder in Deutschland ist im Vergleich zur letzten Untersuchung um etwa 5 Prozent gestiegen. Damit liegt Deutschland trotzdem noch im oberen Drittel der untersuchten Länder. Bei den Schlusslichtern – dazu gehören die Türkei, Rumänien und Spanien – lebt zum Teil etwa jedes dritte Kind mit einem hohen Armutsrisiko. Die positivsten Verhältnisse gibt es in Dänemark, Slowenien und Finnland.

Platz 25 von 39: Deutschland im unteren Mittelfeld

Der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die in Deutschland in Armut aufwachsen, stagniert im letzten Jahrzehnt auf einem hohen Niveau. Und ist zuletzt nochmal leicht angestiegen. In der Rangliste der 39 untersuchten OECD- und EU-Staaten liegt Deutschland damit auf Platz 25. Sämtliche EU-Staaten wurden unter die Lupe genommen, außerdem Länder wie Australien, Kanada, die USA, Chile, Großbritannien und die Schweiz.

"Jedes fünfte Kind in den OECD- und EU-Ländern lebt in Einkommensarmut, insgesamt 69 Millionen Kinder."
Unicef

Insgesamt lebt jedes fünfte Kind in den OECD- und EU-Ländern in Armut – das sind zusammengenommen 69 Millionen Kinder, so die Studie. Auf die EU-Staaten entfielen davon rund 6 Millionen Kinder und bei weiteren 6,6 Millionen Kindern könnten materielle Grundbedürfnisse, wie Wohnung heizen, Kleidung ersetzen, genug Lebensmittel oder Spielzeug, nicht gedeckt werden. In Deutschland waren 2021 laut der Studie rund 800.000 Kinder von dieser materiellen Form der Armut betroffen.

Möglicher Zusammenhang zwischen Sozialausgaben und Armutsrisiko

Deutschland muss sparen. Seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts ist das eines der Themen im Bundestag. Viele Politiker*innen nehmen dabei auch die Sozialausgaben in den Blick, die ihrer Meinung nach zu hoch sind.

Der Unicef-Bericht sagt: Die Höhe der Sozialausgaben steht möglicherweise in einem direkten Zusammenhang mit dem Armutsrisiko bei Kindern: Viele Länder hätten ihre Ausgaben für Familienleistungen in der Zeit zwischen 2010 und 2019 erhöht – parallel dazu sei das Armutsrisiko von Kindern meistens zurückgegangen.

"Viele untersuchte Länder haben ihre Ausgaben für Familienleistungen zwischen 2010 und 2019 erhöht, so die Studie – und parallel dazu ist das Armutsrisiko von Kindern meist gesunken."
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Paradebeispiele seien hier Polen, Slowenien, Lettland und Litauen, die das Armutsrisiko für Kinder in dieser Zeit um mehr als 30 Prozent senken konnten. Andere Länder, etwa Schweden oder Großbritannien, hätten die Familienleistungen pro Kind gekürzt – und dort sei das Armutsrisiko für Kinder im gleichen Zeitraum um 20 Prozent gestiegen.

Sonderfall Deutschland

Die Daten aus Deutschland scheinen diesem Zusammenhang zu widersprechen: Bei uns sind die Familienleistungen zwischen 2010 und 2019 leicht gestiegen – das Armutsrisiko für Kinder aber ebenfalls.

Möglicherweise seien in Deutschland Einzelleistungen zu wenig angepasst worden an steigende Kosten, versucht der Bericht eine Erklärung. Das könnte demnach daran liegen, dass bei der Berechnung des Existenzminimums hierzulande zum Beispiel nicht alle Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt werden.

Forderung: Mehr Geld für Kitas, Grundschulen und Jugendhilfe

Es geht aber gar nicht nur um Einzelleistungen, die direkt an die Familien ausbezahlt werden, sondern auch um das Umfeld – um die gesamte Infrastruktur: So müsse etwa für Kitas, Grundschulen und Jugendhilfeeinrichtungen viel mehr Geld ausgegeben werden, damit Kinderarmut über Bildungszugänge reduziert werden kann, so der Bericht.

Und: Die Arbeitswelt müsste familienfreundlicher werden, damit Eltern Familie und Beruf tatsächlich unter einen Hut bekommen können – und ihre Kinder nicht in Armut aufwachsen müssen. Unicef sieht "weiterhin dringenden politischen Handlungsbedarf" in Deutschland und appelliert, "effektiver und nachhaltiger in Kinder und Jugendliche zu investieren".

Shownotes
Unicef-Bericht
Armutsrisiko für Kinder in Deutschland gestiegen
vom 06. Dezember 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion