Der Leidensdruck war einfach zu groß. Trotzdem hat Dlin mit sich gerungen, bis sie ihre Ausbildung abgebrochen hat. Studienberaterin Kirsten Brandenburg erklärt, wann Zweifel dazugehören und wann wir einen Ausbildungsweg überdenken dürfen.
Dlin war während ihrer Ausbildung zum Heulen zumute. Statt sich in ihrer Mittagspause zu entspannen, mit Freund*innen essen zu gehen oder spazieren zu gehen, fuhr sie regelmäßig nach Hause und weinte sich aus. Denn der Druck und die Arbeitsbelastung während ihrer Ausbildungszeit als medizinische Fachangestellte lastete sehr auf ihr. Danach fuhr sie zurück in die Arztpraxis, um ihre Aufgaben, wie sie sagt, ordentlich, freundlich und zuverlässig zu erledigen.
Jede*r Dritte bricht ab
Die Praxis, in der Dlin den praktischen Teil ihrer Ausbildung absolvierte, war unterbesetzt, aber dafür mit Patient*innen überlaufen. Das hatte zur Folge, dass Dlin als Auszubildende nicht selten ganz alleine für die Anmeldung zuständig war. Als sie versuchte, im Team darüber zu sprechen, fühlte sie sich abgewimmelt.
"Als ich sagte, was nicht in Ordnung ist, hieß es: Es ist nun mal so. Und: Bleib dran! Und am Anfang habe ich das geglaubt."
Es hat anderthalb Jahre gedauert, bis Dlin sich endlich entschlossen hat, ihre Ausbildung ohne Abschluss abzubrechen. Nachdem sie dann endlich ihre Kündigung abgegeben hatte, fühlte sie sich so befreit wie noch nie zuvor in ihrem Leben, erinnert sie sich.
"Warum soll ich mich ständig unter Druck setzen lassen und vor allem bei einer Sache bleiben, die mich unglücklich und unzufrieden macht?"
Dlin steht mit ihrem Ausbildungsabbruch längst nicht alleine da. Fast 30 Prozent aller Auszubildenden lösen ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig auf und orientieren sich um. Das belegen Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bei Bachelor-Studiengängen ist die Abbruchquote ähnlich hoch.
Einige von jenen, die zweifeln und hadern, landen bei Kirsten Brandenburg, Studienberaterin an der Uni Frankfurt. Sie weiß aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass vor allem die Anfangszeit an der Uni hart sein kann, weil die Umstellung von Schule zu Studium unterschätzt wird.
"Zweifel sind normal und kommen in jedem Studium vor. Doch wenn die Zweifel nicht mehr aufhören und zur ständigen Belastung werden, sollte man sie sich genauer anschauen."
Nicht das Scheitern sehen, sondern die Kurskorrektur
Kirsten Brandenburg rät, Zweifel nicht in sich reinzufressen, sondern mit Freund*innen, Kommiliton*innen oder der Familie darüber zu sprechen. Weil es uns aber oft schwerfällt, zuzugeben, dass wir in einer Krise sind, kann es helfen, zuerst mit einer außenstehenden Person zu sprechen, wie der Studienberatung oder einer anderen Beratungsstelle.
In ihren Beratungen setzt Kirsten Brandenburg erst einmal darauf, Klarheit darüber zu schaffen, was den Druck, Kummer oder die Überforderung auslöst. Denn nur weil wir zweifeln, bedeute das nicht, dass der Studiengang komplett falsch gewählt war.
"Vielleicht muss ich lernen, wie man wissenschaftliche Arbeiten schreibt. Vielleicht fehlen mir Strategien zur Selbstorganisation. Aber vielleicht ist es wirklich das Studium, das nicht zu mir passt."
Übrigens, meint Kirsten Brandenburg, dass man einen Studienwechsel durchaus sehr gut vor späteren Arbeitgeber*innen begründen kann. Es zeigt, so die Studienberaterin, dass man bereit ist, ein Risiko einzugehen und sich auf eine neue Situation einzulassen. Damit beweise man Resilienz – und das sei etwas, was gute Personaler*innen sehr schätzen sollten.
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