Menschen in Kapseln durch eine Röhre schießen - in Nancy in Frankreich soll ein solches Konzept bereits in naher Zukunft für den ÖPNV eingesetzt werden: Vielleicht schon ab 2024 soll der Urban Loop regulär und täglich Personen transportieren.

Die Idee für die Technologie stammt von Tesla-Gründer Elon Musk. Im November vorigen Jahres hat das Hyperloop-Transportsystem der Firma Virgin in Nevada eigenen Angaben zufolge erstmals erfolgreich zwei Passagiere transportiert - mit einer Geschwindigkeit von 172 Kilometern pro Stunde. Momentan sind mehr als 460 Kilometer pro Stunde möglich, es könnten aber auch mal über 1000 werden. Bis 2030 will Virgin eine Hyperloop-Strecke in Betrieb nehmen. Ein solches System wäre auf vielen Strecken schneller als ein Zug und auch als ein Flugzeug.

Keine Lust mehr auf Stau

Doch nicht nur Virgin tüftelt daran, Menschen in Kapseln durch Röhren zu schießen. Mittlerweile arbeiten verschiedene Unis und Unternehmen auf der ganzen Welt an der Umsetzung, berichtet Sebastian Sonntag von Deutschlandfunk Nova, etwa in Nancy in Frankreich. Was dort 2017 als Studierenden-Projekt gestartet ist, könnte schon 2024 Realität werden: der Urban Loop.

"Wir brauchen eine Art umweltfreundliche Mini-U-Bahn, die wenig Platz und Energie verbraucht und den Verkehr flüssig hält."
Jean-Philippe Mangeot, Dozent an der Ingenieursschule in Nancy

Die Idee dazu hatte Jean-Philippe Mangeot, Dozent an der Ingenieursschule in Nancy. Sie kam ihm, als er in der Nähe des Bahnhofs von Nancy im Stau stand, hat er dem SR erzählt. Die Kreuzung war blockiert und nichts ging mehr. Eine Art umweltfreundliche Mini-U-Bahn könnte diese unbefriedigende Situation lösen, dachte er sich. Gedacht, getan: Er beauftragte ein paar seiner Studierenden damit, aus der Idee ein Konzept zu machen. Mittlerweile arbeiten vier Ingenieursschulen gemeinsam an der Umsetzung, über 100 Studierende sind beteiligt.

Mini-U-Bahn mit bis zu 75 km/h

Ähnlich wie beim Hyperloop sind es auch in Nancy Kapseln, die durch Röhren fahren. Sie sind so groß, dass zwei Leute darin Platz finden. Oder eine Person plus Fahrrad. Oder eine Person im Rollstuhl.

"Die Menschen werden mit im Schnitt gemütlichen 60 km/h durch die Röhren geschickt. Ganz klassisch auf Rädern."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk Nova

Die Geschwindigkeit, mit der sie transportiert werden, hat aber nicht mal annähend etwas mit Schallgeschwindigkeit zu tun. Die Menschen werden mit im Schnitt gemütlichen 60 km/h durch die Röhren geschickt, maximal sind es 75 km/h. Und die Kapseln schweben auch nicht mit irgendeiner Magnettechnik oder auf einem Luftpolster durch die Röhre, sondern ganz klassisch auf Rädern.

Simpel, stromsparend, KI-gestützt

All das soll aber völlig ausreichen, um in der Stadt eine ernsthafte Konkurrenz zum Auto zu sein. "Keep it simple" ist das Motto dahinter. Der Urban Loop ist außerdem extrem stromsparend: Es werden nämlich Elektromotoren verwendet, die sonst bei Fahrrädern oder E-Scootern eingesetzt werden. Ende Mai soll der Urban Loop einen Weltrekord aufstellen - für den niedrigsten Energieverbrauch eines autonomen Schienenfahrzeugs pro Kilometer.

"Auf fünf Kilometern Strecke können 150 Kapseln bewegt werden, die 3000 Menschen pro Stunden befördern können, so die Entwickler."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk Nova

Eine Künstliche Intelligenz berechnet voraus, wann es wo zu Engpässen kommt, also zu welchen Zeiten mehr und wann weniger los ist oder ob das Wetter schlecht wird und deshalb potentiell mehr Leute einsteigen. Auf diese Weise erfährt die Kapsel die zu den aktuellen Bedingungen schnellste Route von A nach B, ohne dass es zu Staus kommt. Auf fünf Kilometern Strecke können so 150 Kapseln bewegt werden, die 3000 Menschen pro Stunde befördern können, heißt es.

Geringe Betriebs- und Baukosten

Direkt vor die Tür könnt ihr mit dem Urban Loop zwar nicht fahren. Auch die Kapsel-U-Bahn benötigt Stationen. Weil diese aber viel kleiner sind – es muss nur eine Kapsel reinpassen – und die Röhren auch nicht so tief unter der Erde verlaufen wie bei einer normalen U-Bahn, können auch mehr Stationen gebaut werden. Parallel werden immer Umfahrungen mitgebaut, so dass Kapseln, die nicht an der Station halten wollen, einfach drumherum fahren können.

Die Tickets werden über eine Handyapp geordert. Nachdem sich die Reisenden für ein Ziel entschieden haben, wird ein QR-Code generiert, mit dem sich die Türen an der entsprechenden Station dann öffnen. Nach 15 Sekunden schließen sie automatisch und die Kapsel fährt los.

"Eins bis vier Millionen Euro pro Kilometer soll der Urban Loop kosten."
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk Nova

Der Bau einer Straßenbahn kostet etwa 20 Millionen Euro pro Kilometer. Und obwohl Urban Loop genauso schnell ist, soll der Bau nur einen Bruchteil davon kosten: eins bis vier Millionen Euro pro Kilometer, je nachdem wie gebaut wird. In ländlicheren Regionen lassen sich die Röhren nämlich auch überirdisch bauen, das spart Kosten.

Machbarkeitsstudie läuft

Nancy ist voll mit Autos und das Straßenbahnnetz ist schlecht ausgebaut. Die Stadt ist ernsthaft interessiert am Urban Loop und lässt die Umsetzung gerade in einer Machbarkeitsstudie prüfen. Wenn diese positiv ausfällt, könnte schon 2024 ein erster Teilbereich fertig gebaut worden sein. Die Studierenden, die an dem Projekt teilnehmen, würden dann auf jeden Fall feiern.

Shownotes
Innovativer ÖPNV
Urban Loop: Eine Mini-U-Bahn in der Röhre
vom 16. April 2021
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk Nova