Für seine Doktorarbeit zieht Sebastian Kurtenbach in den sozial benachteiligten Kölner Stadtteil Chorweiler. Er will herausfinden, ob der Wohnort einen Nachteil für seine Bewohner darstellt.
Chorweiler ist ein Kölner Stadtteil, der ein schlechtes Image hat. Er gilt als trist und zum Teil auch als gefährlich, obwohl die Kriminalstatistiken das noch nicht einmal bestätigen. Was allerdings eine Tatsache ist: 80 Prozent des Stadtteils bestehen aus sozialem Wohnungsbau und knapp 40 Prozent der 13.000 Einwohner leben von Hartz IV. Wer auf Google nach dem Wort Chorweiler sucht, bekommt als Vervollständigung das Wort "Getto" vorgeschlagen - deutlicher könnte die Stigmatisierung nicht sein.
"Ich hab viel mit Bewohnern aus dem Stadtteil gesprochen. Was mir immer wieder erzählt wurde, war, dass sie bei Bewerbungen aufgrund der falschen Wohnadresse abgelehnt wurden."
Bei seinen Untersuchungen hat Sebastian festgestellt, dass wir einen Anpassungsprozess an unsere Umgebung zeigen. Wenn wir beispielsweise neu in einen Stadtteil wie Chorweiler ziehen, dann stört uns abweichendes Verhalten. Wir mögen anfangs nicht, wenn wir sehen, dass jemand Müll wegwirft oder jemand sich aggressiv verhält. Da wir uns diesen Situationen nicht einziehen können, kann ein Gewöhnungseffekt eintreten. Es kann sogar passieren, dass wir dieses Verhalten, dass wir anfangs abgelehnt haben, übernehmen.
Es gibt viele Leute, die ihren Stadtteil gar nicht verlassen
Sebastian hat auch eine repräsentative empirische Studie durchgeführt. Dabei hat er festgestellt, dass fast zwei Drittel der Bewohner im Durchschnitt 22 Stunden in ihrem Stadtteil verbringen. Unter diesen Umständen sind sie den Einflüssen ihres Wohnorts somit rund um die Uhr ausgesetzt.
Der Stadtteil wird zu einem Mittelpunkt für uns, der ganz entscheidend ist
Wir legen immer mehr wert, auf die Adresse unseres Wohnorts, da er auch etwas über unseren sozialen Status aussagt. Daher gibt es immer mehr Menschen, die an bestimmte Orte ziehen wollen. Durch diese Nachfrage gibt es immense Mietpreissteigerung, das macht es für Menschen aus sozial benachteiligten Stadtteilen schwieriger, wegzuziehen. Denn sie können sich die hohen Mieten einfach nicht leisten.