Medien haben viel Einfluss – auch darauf, welche Themen wie wahrgenommen werden. Das gilt auch beim Thema Gewalt gegen Frauen. Darüber berichten deutsche Medien zu wenig und nicht ausgewogen - zu diesem Schluss kommt eine Studie.
Christine Meltzer ist Autorin der Studie Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten. Dafür hat die Kommunikationswissenschaftlerin rund 3500 Artikel aus 17 deutschen Zeitungen ausgewertet, die zwischen 2015 und 2019 erschienen sind. Sie hat sich Boulevard- sowie Tageszeitungen angeschaut. Die Studie wurde von der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung in Auftrag gegeben.
Das Fazit der Studie: Insgesamt wird wenig und wenn, dann unausgewogen über Gewalt gegen Frauen berichtet. Das Bild, das in den Medien vermittelt werde, stimme mit der Wirklichkeit nicht überein und sei häufig verzerrt. Meist würden einzelne Fälle herausgegriffen – vor allem jene Taten, die sehr brutal sind.
"Gewalt gegen Frauen wird nur dann in den Medien aufgegriffen, wenn sie eine besonders brutale Form annimmt und etwa mit dem Tode des Opfers endet."
Auch sehr gewaltsame Taten sollten thematisiert werden, findet die Studienautorin. Aber sie dürften nicht als Einzelfall dargestellt werden. Häufig fehle die Einordnung in das größere Bild, zum Beispiel, indem durch Statistiken das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen verdeutlicht werde. Doch strukturelle Probleme würden von Medien nicht angesprochen.
Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelfall
Dass Gewalt gegen Frauen kein Einzelfall ist, zeigt zum Beispiel die Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, die 2019 erschien. Die Ergebnisse decken sich mit dem vergangenen Jahr, das in der Studie ausgewertet wurde. Laut Statistik gab es insgesamt rund 31.100 Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung. Mehr als 90 Prozent der Opfer waren weiblich.
Hinzu kommen mehr als 400 versuchte oder auch vollendete Tötungsdelikte in Paarbeziehungen: Auch hier waren 77 Prozent der Opfer Frauen. Damit lag Deutschland über dem europäischen Durchschnitt, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht.
Tabus brechen – auch durch die Berichterstattung
Gewalt gegen Frauen sei noch immer ein großes Tabu, so Christine Meltzer in der Studie. Das gelte für die Gesellschaft und eben auch für die Medien.
Es sei wichtig, mehr über die Opfer zu berichten und deren Perspektive abzubilden. Das nehme zum einen anderen Betroffenen das Gefühl, sie seien allein mit ihrer Erfahrung. Zweitens werde so die Gesellschaft für das Thema sensibilisiert.
Außerdem sollten die Medien wie bei der Berichterstattung über Suizid mittlerweile üblich, auch bei Berichten über Gewalt gegen Frauen Adressen von Anlaufstellen veröffentlichen, an die sich betroffene Frauen wenden können. Ein sinnvoller Vorschlag, den wir umsetzen wollen.
Eine Anlaufstelle ist etwa das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen. Unter der Nummer 08000 116 016 bietet es vertraulich, kostenfrei und rund um die Uhr Hilfe und Unterstützung. Die Beratung ist in verschiedenen Sprachen möglich. Darüber hinaus gibt es in den meisten Städten und Gemeinden Angebote für Frauen, die Gewalt erfahren.