Um in Deutschland Herdenimmunität gegen das Coronavirus zu erreichen, müssen mindestens 85 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Durch die Verbreitung der Delta-Variante reicht die vollständige Impfung allein nicht aus, um die Pandemie einzudämmen.

In Deutschland hat etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung kompletten Impfschutz. Das ist nicht schlecht, dennoch sind wir von einer Herdenimmunität weit entfernt. Expert*innen schätzen, dass dafür eine Quote von rund 85 Prozent benötigt wird.

In den USA herrscht eine regelrechte Impfmüdigkeit, weshalb sich Präsident Joe Biden in der Nacht mit einem moralischen Appell an die Bevölkerung gewandt hat und gebeten hat, sich aus Verantwortung sich selbst und seinen Liebsten gegenüber doch impfen zu lassen.

Diskussionen, ob eine Impfung angesichts der Delta-Variante noch Sinn macht

Angesichts der Delta-Variante des neuartigen Coronavirus wird dort nämlich heftig darüber diskutiert, ob eine Impfung überhaupt sinnvoll ist. Grund für die Debatte ist der Nachweis, dass auch Menschen, die doppelt geimpft sind, sich anstecken- und das Virus weitergeben können. So hat es der US-amerikanische Immunologe Anthony Fauci jüngst noch einmal wiedergegeben, wobei sich die US-Gesundheitsbehörde auf Studienergebnisse aus Israel bezieht.

Geimpfte sind nicht so infektiös wie Nicht-Geimpfte

Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover bestätigt diese Erkenntnisse und erinnert, dass das bereits bekannt sei. All jene, die trotz Impfung keinen kompletten Impfschutz haben und sich anstecken, können das Virus auch weiter geben, sagt die Immunologin. Bei der Delta-Variante läge der Impfschutz bei mRNA-Impfstoffen bei rund 80 Prozent – bei Astrazeneca bei rund 70 Prozent.

Das Argument, dass es keinen Sinn mache, sich zu impfen, wenn man als geimpfte Person bei der Delta-Variante genauso ansteckend sei wie als nicht-geimpfte, hält sie deshalb für falsch. Die Infektiosität sei nicht dieselbe, sagt sie.

"Man kann nicht sagen, dass Menschen, die geimpft sind, genauso infektiös sind, wie Nicht-Geimpfte.
Christine Falk, Immunologin an der Medizinischen Hochschule Hannover

Selbst bei der Delta-Variante sei ja noch die Mehrheit der Geimpften vor einer Erkrankung mit Covid-19 geschützt und könne deshalb auch nicht ansteckend sein. Dennoch sei es so, dass bei denjenigen, bei denen das Immunsystem nach der Impfung keinen kompletten Schutz aufgebaut hat, die Gefahr besteht, dass sie das Virus weitergeben können.

Delta-Variante verbreitet sich im Nasen- und Rachenraum

Das Gefährliche an der Delta-Variante sei, dass sie sich vor allem im Nasen- und Rachenbereich stark ausbreitet. Genau aus diesem Grund sei aber das Tragen von Masken – und allgemein das Einhalten der AHA+L-Regeln so wichtig, betont Christine Falk.

"Man darf die Masken nicht zu früh absetzen, sonst bekommt man ein Problem."
Christine Falk, Immunologin

Ihre konkrete Handlungsempfehlung lautet: Es brauche Impfungen, damit sich die Menschen untereinander schützen und es brauche das strikte Einhalten der AHA+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Maske im Alltag plus Lüften). Dies zeigten auch britische Studien zur Ausbreitung des Virus, so die Immunologin.

"In den Studien aus England wurde geguckt, wie viele Nicht-Geimpfte sich mit Corona anstecken. Man sieht sehr gut, wie die Impfstoffe, die wir jetzt haben, vor einer Infektion und schweren Verläufen schützen."
Christine Falk, Immunologin

Insofern müsse das Argument nach wie vor so lauten, dass man sich und andere Menschen am besten schützt, indem man sich impfen lässt.

Shownotes
Delta-Variante
Immunologin: Geimpfte sind nicht so infektiös wie Nicht-Geimpfte
vom 30. Juli 2021
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Christine Falk ist Immunologin an der Medizinischen Hochschule Hannover