In einem Artikel über den UN-Migrationspakt heißt es, 28 Prozent aller Tweets zum Thema wurden von Bots geschrieben. Der Datenanalyst Luca Hammer bezweifelt diese Zahl.
In einem Artikel über den UN-Migrationspakt heißt es, 28 Prozent aller Tweets zum Thema seien von Bots geschrieben worden. Das berichtet die Zeitung "Die Welt" unter Berufung auf eine Analyse des Unternehmens Botswatch. Das hätte hunderttausende Tweets ausgewertet.
Auch sonst könnte man zur Meinung gelangen, automatisierte Tweets, die in Richtung Propaganda gehen, würden ganze Wahlen beeinflussen können.
Bisherige Zahlen bisher immer geringer
Der Datenanalyst Luca Hammer ist von den Ergebnissen der Studie wenig überzeugt, die im Artikel der Welt zitiert wird. Er kritisiert, dass die Methodik nicht öffentlich ist. Und auch wird nicht erklärt, wie das Unternehmen, das die Studie durchgeführt hat, vorgegangen ist, um Social Bots als solche zu erkennen.
Bei bisherigen Studien zu dem Thema waren die Zahlen jedenfalls immer wesentlich geringer, sagt Luca Hammer. Auch deshalb bezweifelt er den sprunghaften Anstieg von Bot-Accounts.
"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das jetzt plötzlich so viel ist und das niemand anderem aufgefallen ist."
Nach der Veröffentlichung der Zahl "28 Prozent aller Tweets stammen von Bots", hat Luca Hammer eine Kurzanalyse mit einer speziellen Software gemacht, das aufgrund von verschiedenen Faktoren versucht einzuordnen, ob es sich bei einem Account um einen Social Bot handeln könnte. Die zugrunde liegenden Faktoren sind in einem Paper für jeden einsehbar. Seine Ergebnisse hat Luca bei Twitter veröffentlicht.
Überprüft hat Luca die letzten tausend Tweets zum UN-Migrationspakt. Das ist zahlenmäßig weit weg von einer Gesamtanalyse. Aber selbst, wenn das Ergebnis nicht ganz stimmen sollte - es zeigt eine Größenordnung, die dramatisch von den 28 Prozent abweicht:
Unter den letzten tausend Tweets hat Luca nur sechs Prozent gefunden, die "eher automatisierte Accounts" sind. Das sind dann aber nicht unbedingt Social Bots, sondern können auch zum Beispiel Accounts von Nachrichtenseiten sein, die ihre Meldungen automatisiert via Twitter veröffentlichen. Die Zahl echter Social Bots dürfte in Wahrheit also noch etwas kleiner sein.
Seine Annahme, dass es so viele Social Bots nicht sind, unterstützt auch eine andere Zahl: In den letzten Jahren wurden nur ein paar hundert Social Bots tatsächlich identifiziert, die auch von Twitter gelöscht wurden.
Social Bots haben keinen Einfluss auf Wahlen
Dass Social Bots einen messbaren Einfluss auf den politischen Diskurs haben, schließt Luca aus. Auch, weil in Deutschland lediglich vier Prozent der Bevölkerung auf Twitter sind. Und davon sind ein verschwindend geringer Teil Social Bots. Das einzige, was Social Bots tatsächlich können, ist das Volumen ein bisschen erhöhen. Das heißt zum Beispiel, dass bestimmte Themen eher in den Trending Topics auftauchen können.
"Man muss grundsätzlich sagen, dass Themen auf Twitter nicht so wichtig sind für die Gesamtbevölkerung, weil nur ein ganz kleiner Teil dort ist."
Die beste Möglichkeit, einen Bot zu identifizieren, ist tatsächlich eine Diskussion zu beginnen. Denn Computerprogramme sind immer noch sehr schlecht darin, Konversationen über mehrere Banden zu halten. Bei Nachfragen, Details oder dem Eingehen auf Argumentationslinien scheitern Bots aber immer noch.
"Wenn Computer sich unterhalten könnten, dann hätten sie den Turing-Test bestanden. Sie könnten sich dann einen Preis von 100.000 Dollar abholen."
Um in den Trending Topics aufzutauchen, reichen schon ein paar tausend Tweets. Journalisten und andere Multiplikatoren müssten da aufpassen, dass sie nicht einfach diese Themensetzung übernehmen, erklärt Luca. Grundsätzlich hält der Datenanalyst Menschen auch für nicht so mechanisch, dass sie sofort ihre Meinung anpassen, nur weil sie die eine oder andere Nachricht bekommen.
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