Genau vor einem Jahr putschte das Militär in Myanmar die Regierung unter Aung San Suu Kyi. Seitdem sind über 1500 Menschen bei Protesten getötet worden. Doch der Widerstand bricht nicht ab.
Als in Myanmar nach dem Putsch vor einem Jahr die erste Demonstrantin durch eine Polizeikugel ums Leben gekommen ist, hat das weltweit für großes Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Ein Jahr später sind mindestens 1500 Menschen erschossen oder zu Tode geprügelt worden, 12.000 Menschen wurden in Gefängnisse verschleppt und dort auch teilweise gefoltert, berichtet Holger Senzel, ARD-Korrespondent für Asien in Singapur.
Und dennoch brechen die Proteste in der Bevölkerung nicht ab. Mit Töpfen und Kochgeschirr machen die Menschen Lärm auf ihren Balkonen und Fenstern, während von der Straße aus das Militär willkürlich in die Wohnungen schießt und dabei auch Menschen verletzt oder tötet. Doch auch das schüchtert die Menschen nicht ein.
Social Media als Ventil zur Außenwelt
Anders als bei den letzten Pro-Demokratie-Protesten von 1988, die ebenfalls gewaltvoll niedergeschlagen wurden, kann sich das Land medial nicht mehr abschotten – auch wenn die Regierung alle unabhängigen Medien verboten hat. Der Rest der Welt bekommt durch zahlreiche Videos in den sozialen Netzwerken von den Gewalttaten des Militärs mit.
"Das Land lässt sich heute nicht mehr abschotten."
So hat beispielsweise ein Journalist des lokalen Senders DVB den Angriff von Polizisten in seiner Wohnung auf Video festgehalten. Darin schreit er ängstlich "keine Gewalt!" und "Nicht schießen!", man hört Glas zersplittern, Schüsse, Türen werden eingetreten. Am Ende des Videos ruft der Reporter, er sei getroffen – seitdem habe man von ihm nichts mehr gehört, berichtet der Nachrichtendirektor von DVB.
Die Lizenz zum Senden hat der Nachrichtensender DVB bereits verloren, doch auch, wenn mehr als hundert Journalisten und Journalistinnen seit dem Putsch festgenommen wurden, denken nur die wenigsten daran, aufzuhören oder sich einschüchtern zu lassen.
People's Defense Force trainiert für den Kampf
Zudem hat sich mittlerweile auch die People's Defense Force (PDF) gebildet – eine Bürgerwehr, die sich auf Kämpfe gegen das Militär vorbereitet. Immer mehr junge Menschen schließen sich ihr an, da sie gemerkt haben, dass sie mit Protesten und ziviler Ungehorsam nicht weiterkommen, sagt ARD-Korrespondent Holger Senzel.
"Immer mehr junge Männer aus dem einst friedlichen Widerstand greifen jetzt zu den Waffen."
Aus einem Protest ist ein blutiger Bürgerkrieg geworden, berichtet Holger Senzel weiter. "Myanmar könnte zu einem zweiten Syrien oder Libanon werden."