Gemeinsam in Erinnerungen zu einem Film schwelgen – das geht nicht bei jedem Streifen. Lauren Evans, eine Autorin beim Online-Magazin Jezebel, hat das jetzt festgestellt, als sie den Film "Wie ein einziger Tag" (The Notebook) noch einmal auf Netflix angeschaut hat. Der Film hat nämlich in der britischen Netflix-Version ein anderes Ende als das Original.
(Achtung Spoiler!) Die Rahmenhandlung geht folgendermaßen: Ein alter Mann besucht seine Frau im Altenheim, sie leidet unter Alzheimer und erkennt ihn nicht wieder, scheucht ihn weg. Schließlich aber erkennt sie ihn doch, die beiden sterben zusammen auf dem Krankenbett nachts, Hand in Hand. Das neue Ende auf Netflix ist wesentlich kürzer. Während im Original eine Krankenschwester ins Zimmer kommt und die beiden tot im Bett sieht, fehlt diese Szene bei Netflix. In beiden Versionen sieht man jedoch ganz am Ende einen Vogelschwarm wegfliegen. Man könnte also auch sagen: Das symbolische Ende – die Seele entfliegt – ist dann doch gleich geblieben. Lauren Evans spekuliert, dass Netflix am Ende nicht so krass auf die Tränendrüse drücken will.
Eine offizielle Erklärung gibt es dazu nicht, aber unser Reporter Pascal Fischer hat noch etliche andere Film-Beispiele gefunden, wo es auch mehrere Enden gibt. "Stirb langsam – jetzt erst recht" ist noch so ein Beispiel. Der dritte Teil hatte ursprünglich ein sehr langes Ende, bei dem der Bösewicht mit Gold nach Osteuropa entkommt. Bruce Willis jagt ihn und schließlich killt sich der Böse dann selbst – mit einem Raketenwerfer. Diese Version ist auf einer 2003 erschienenen DVD zu sehen. Den Filmproduzenten war dieses Ende aber zu kompliziert und zu lang – insgesamt dauerte es sechs Minuten.
Wenn der Produzent eher auf ein schnelles Ende steht
Für die Kinoversion entschieden sich die Produzenten dann für ein wesentlich kürzeres Ende: Der Helikopter mit Bösewicht auf der Flucht explodiert einfach. Fertig. Dietrich Leder, Professor für Filmgeschichte an der Hochschule für Medien in Köln sagt: "Das ist eine Verkürzung zu einer Eindeutigkeit, die man relativ häufig findet. Sodass man da auch sagt: Wir sparen da fünf bis sechs Minuten, um rascher das Publikum aus dem Kino zu entlassen."
Auch bei Blade Runner ist das so gelaufen: Ursprünglich gab es eine Szene, in der angedeutet wird, dass die von Harrison Ford gespielte Figur, die einen täuschend echten Androiden jagt, selbst so ein "Replikant" ist. Dieser Twist deutet den ganzen Film um. Für die endgültige Kinofassung war das den Machern aber zu komplex und fiel raus. Im Director's Cut kam sie dann aber wieder rein. Ein Grund, warum diese Version Kultstatus erlangt hat.
Black Mirror Bandersnatch - wenn Alternativen zum Konzept werden
Es gibt allerdings auch Serien und Filme, die noch viel mehr mit alternativen Enden spielen. Sie werden sozusagen zum Konzept, etwa so wie bei "Black Mirror Bandersnatch", der vor einigen Wochen auf der Plattform Netflix veröffentlicht wurde. Die Zuschauer haben dabei Einfluss auf den gesamten Verlauf des Films – und auch auf sein Ende.
Ähnliches haben auch schon Alfred Hitchcock und Stanley Kubrik in ihren Filmen durchgezogen. Hitchcock hat zum Beispiel für seinen Thriller "Topas" mehrere Schurken in die Kamera blinzeln lassen – für eine eventuelle Schlussszene. Er wollte erst mal schauen, wie der Film sich im Laufe des Drehs entwickelt. Richtig aufwendig wird es, wenn Regisseure mehrere Enden drehen lassen, sie einem Testpublikum vorführen – und dann erst entscheiden.
"Es wird dabei bleiben, dass Geschichten einen grandiosen Anfangssatz, eine Anfangsszene haben und eine möglichst grandiose Schlussszene, an die wir uns alle erinnern können. Dass wir über Varianten reden, zeigt ja, wie wichtig eine markante Schlussszene ist, weil sie dann tatsächlich davon abweicht."
Der Filmwissenschaftler Dietrich Leder findet es ein bisschen schade, dass die Zukunft des Erzählens voraussichtlich mehr und mehr interaktiv wird. Gespräche über gemeinsame Kino- beziehungsweise Filmerlebnisse werden dann jedenfalls schwieriger.
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