Die Corona-Pandemie ist für ihn eine Krise, die zur Klimakrise noch hinzukommt. Mit Geld und ökologischem Wirtschaften ließen sich aber beide Aufgaben zugleich lösen, sagt der Europapolitiker Frans Timmermans.

Frans Timmermans ist geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission und dort zugleich zuständig für den "Green Deal". Die Corona-Pandemie, den Klimaschutz und die europäische Wirtschaftspolitik sieht der sozialdemokratische Politiker als große, zusammenhängende politische Aufgabe.

Mit nachhaltiger Wirtschaftspolitik ließen sich Jobs sichern und retten, konkret mit Programmen in der Bauwirtschaft und durch den Wechsel zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Große Teil der Industrie in Deutschland seien bereit, diesen Prozess mitzutragen.

"Ich glaube, dass auch in Deutschland die Industrie das begriffen hat und auch in diese Richtung mit uns arbeiten will."
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission, Kommissar für Klimaschutz

Diese Wandlung, Frans Timmermans sagt wörtlich Transition, bringe gewisse Risiken, kurzfristig sei es ein schwieriger Prozess, aber langfristig würden wir dadurch profitieren, meint der Europapolitiker.

"Wenn wir das Geld jetzt in die alte Wirtschaft stecken, dann bleibt für die neue Wirtschaft kein Geld mehr übrig. Und damit belasten wir unsere Kinder und Enkelkinder."
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission, Kommissar für Klimaschutz

Vor zehn Jahren sei es noch undenkbar gewesen, dass traditionelle Energieträger teurer sein könnten als Wind- und Solarenergie. Heute sei das bereits der Fall. Er sagt: Wir dürfen auch ein bisschen optimistisch sein, dass wir als Europäer die Kreativität haben, dass wir auch Freude daran haben, wenn unser Klima besser wird."

Eine bessere Luftqualität in den Städten und eine nachhaltige Landwirtschaft sind für Frans Timmermans ein langfristiges wertvolles Erbe für die nächste Generation.

Solidarität und Eigennutz

Die Finanzlasten müssten letztlich innerhalb Europas verteilt werden, erklärt der Niederländer. Die Gesamtverschuldung der Mitgliedstaaten werde zunehmen. Eine Solidarität untereinander sei im Interesse jedes Einzelstaates - von daher stecke auch immer ein bisschen Eigeninteresse dahinter. Denn von einem finanziellen Kollaps einzelner Staaten wäre alle anderen Staaten mit betroffen, so Timmermans.

"Die europäische Wirtschaft ist so untereinander verknüpft - wenn ein Mitgliedstaat stolpert, fallen wir alle um."
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission, Kommissar für Klimaschutz

Konkrete Vorschläge hat Timmermans für die Luftfahrtindustrie. Von neuen Treibstoffen und Anreizen für bessere Flugzeuge verspricht er sich ökologische Effekte. Außerdem sei es Zeit für eine international vereinbarte Steuer auf Kerosin und eine Begrenzung von Kurzstreckenflügen.

Ökologische Kriterien

Mit staatlichen Prämien zur Stabilisierung der Autoindustrie in Deutschland hat er grundsätzlich keine Schwierigkeiten, auch Abwrackprämien kommen für ihn in Frage, solange sie ökologische Kriterien berücksichtigen. Das heißt für ihn: "Wir müssen mehr Elektroautos produzieren. Wir müssen mehr Autos produzieren, die nicht mehr als 95 Gramm Co2 pro Kilometer ausstoßen." Das Zwei-Grad-Ziel von Paris hält er für ambitioniert, erreichbar sei es aber noch.

"Das bedeutet, dass die Industrie, dass wir alle sehr viel machen müssen. Also dieses Ziel bis 2050 das ist schön, aber wir müssen jetzt anfangen, damit wir das auch schaffen."
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission, Kommissar für Klimaschutz

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Shownotes
Europapolitik und Covid-19
Frans Timmermans: "In Solidarität steckt immer ein bisschen Eigeninteresse"
vom 30. April 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der EU-Kommission, Kommissar für Klimaschutz