Nach dem Friedensvertrag der kolumbianischen Regierung mit den Farc-Rebellen sollten die ehemaligen Kämpfer eigentlich in die Gesellschaft integriert werden. Stattdessen etabliert sich in den Übergangscamps eine Dorfstruktur. Sie bleiben also isoliert.

Alina Kierek war vor knapp eineinhalb Jahren schon einmal in Kolumbien bei den Farc-Rebellen - damals war das Übergangscamp gerade im Aufbau und noch sehr rudimentär. Heute ist es zu einem kleinen Dorf geworden, in dem zu knapp einem Drittel ehemalige Farc-Rebellen leben - der Rest ist Familie, quasi zugezogen. 

Als Alina Kierek von einem Fahrer zum abgelegenen Camp gebracht wird, hat sie ein prägendes Erlebnis. Als der Fahrer erfährt, wo es hin geht, zu wem, entgleiten ihm alle Gesichtszüge. Schnell räumt er alle christlichen Symbole zur Seite und will später auch gar nicht aussteigen, erinnert sich Alina.  

"Die ehemaligen Farc-Rebellen werden in den Medien total verteufelt. Es wird ein Bild gezeichnet, das wirklich gruselig ist."
Alina Kierek über ihren Aufenthalt in einem Übergangscamp ehemaliger Farc-Rebellen

Auf der Rückfahrt hat sich der Fahrer dann bei Alina Kierek bedankt. Er musste nämlich das ganze Wochenende mit ihr dort bleiben, war also gezwungen, auszusteigen und auch im Camp zu übernachten - und während dieser Zeit habe er ganz wunderbare Gespräche gehabt, mit Menschen, die genauso Kolumbianer seien, wie die Menschen in den Städten auch. 

Ziel dieses Übergangscamps, das Alina nun schon zum zweiten Mal besucht hat, ist die gesellschaftliche Integration der ehemaligen Farc-Rebellen, die Jahre - teils Jahrzehnte - im Untergrund gelebt haben. Anstoß gab ein Projekt zur Umsetzung des Friedensvertrages mit Farc Rebellen, an dem mehrere Unis beteiligt waren. Knapp anderthalb Jahre später sieht Alina zwar Erfolge, aber es gibt auch noch viel zu tun.

Von beiden Seiten gibt es Ablehnung

An der Reaktion des Fahrers zeigt sich: In der kolumbianischen Gesellschaft gibt es viele Vorbehalte - viel Ablehnung. "Sich als ehemaliger Farc-Kämpfer offen in der Stadt zu zeigen, ist nicht empfehlenswert", sagt Alina Kierek. Ablehnung gibt es aber auch von Seiten der ehemaligen Rebellen. Ihre Integration in die Gesellschaft ist deshalb schwierig. Außerdem fühlen sich die ehemaligen Farc-Rebellen in ihrer Gemeinschaft im Camp wohl - und haben angefangen, dort zu leben. Und vor allem: Familien zu gründen. Alina Kierek berichtet von einem wahren Kinderboom im Camp.

"Unter den Farc-Rebellen hat es Zwangsverhütung gegeben, weil sie gesagt haben: In einem Krieg haben Kinder nichts zu suchen."
Alina Kierek über ihren Aufenthalt in einem Übergangscamp ehemaliger Farc-Rebellen

Babyboom im Camp der Ex-Farc-Kämpfer

Viele der ehemaligen Farc-Kämpfer erfüllen sich deshalb jetzt ihren Wunsch nach Familie. Was in den Förderprogrammen aber nicht mitgedacht wurde, ist die Betreuung von kleinen Kindern, Bildung, Lehrer - das alles gibt es dort nicht, sagt Alina Kierek. Und auch sonst ist es schwer, eine gesellschaftliche Struktur zu etablieren. In dem Camp gibt es kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen - und somit auch kaum berufliche Perspektiven. 

"Die Expertisen, die sie im Untergrund erworben haben, dürfen die ehemaligen Rebellen im Camp nicht ausführen."
Alina Kierek über ihren Aufenthalt in einem Übergangscamp ehemaliger Farc-Rebellen

Das ist vor allem ein Problem, wenn es um medizinische Fragen geht: In keiner Zone gebe es eine vernünftige medizinische Versorgung. Stattdessen habe es schon Epidemien gegeben. Die eigenen Mediziner dürfen in der Zone nicht praktizieren - weil sie keine anerkannte Ausbildung haben.

Zusammenfassend stellt Alina Kierek fest: Die Integration klappt nicht so wie erhofft. Wer kann, verlässt die Zonen und geht in die größeren Städte. Doch "einige wenige bewaffnen sich erneut, um wieder in den Untergrund zu gehen", sagt Alina. 

Das erste Gespräch mit Alina Kierek könnt ihr hier nachlesen und nachhören

Mehr zum Thema:

Shownotes
Friedensvertrag in Kolumbien
Studentin Alina Kierek hat Ex-Farc-Rebellen besucht
vom 27. Oktober 2018
Moderatorin: 
Donya Farahani
Gesprächspartnerin: 
Alina Kierek, Verein Fellowship for Future e.V