Bund und Länder haben sich auf neue Corona-Schutzmaßnahmen verständigt, und eine allgemeine Impfpflicht wird wahrscheinlicher. Manche Coronaleugner könnten sich dadurch noch mehr radikalisieren. Für manche kann die Impfpflicht auch ein Ausweg sein. Je nachdem, wie sehr sie Verschwörungen anhängen.
Lange haben zahlreiche Politiker*innen eine allgemeine Impfpflicht ausgeschlossen. Doch im Zuge dramatisch steigender Infektionszahlen und voller Intensivstationen hat sich das geändert.
Dass nun doch eine allgemeine Impfpflicht kommen könnte, bestätige die Anhänger*innen von Verschwörungsmythen, so Pia Lamberty. Sie ist Sozialpsychologin an der Uni Mainz. "Aber die suchen ohnehin schon nach Informationen, die ihr Weltbild bestätigen." Deshalb sei es für diese Gruppe fast egal, was in der Politik tatsächlich entschieden und umgesetzt wird.
Es kommt darauf an, wie sehr Menschen Verschwörungsmythen anhängen
Bei Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, sei der Glaube an Verschwörungen weit verbreitet, so die Wissenschaftlerin.
63 Prozent der gewollt Ungeimpften glaubten, dass die Coronapandemie ein Schwindel sei. Das zeigt eine Befragung im Rahmen von "Cosmo – COVID-19 Snapshot Monitoring". Das heißt aber auch, dass immerhin 47 Prozent der Ungeimpften nicht an eine Verschwörung glauben. "Ich könnte mir sogar vorstellen, dass eine Impfpflicht eine Art Entlastung für sie darstellt", sagt Pia Lamberty. Die Entscheidung für eine Impfung könne man dann leichter auf den Staat schieben.
"Eine Impfpflicht könnte eine Art Entlastungsfunktion sein. Dann muss man nicht zugeben, dass man sich selber für die Impfung entschieden hat. Sondern man sagt: 'Ich musste das machen'."
Bei jenen jedoch, die von einer Verschwörung überzeugt sind, könnten die strikteren Maßnahmen zu einer weiteren Radikalisierung führen.
In dieser Szene wachse auch der Frust, dass ihre Demonstrationen und der Protest nicht wirklich etwas verändern. "Ich habe schon den Eindruck, dass der Ton rauer und gewalttätiger wird", sagt Pia Lamberty.
"Gerade bei denen, die überall eine Verschwörung wittern, befürchte ich, dass die Maßnahmen zum Anlass genommen werden, um sich nochmal radikaler zu zeigen."
Dennoch sei es wichtig und geboten zum Beispiel bei Demonstrationen Regeln durchzusetzen und Coronaleugner*innen nicht einfach gewähren zu lassen, wenn sie gegen Auflagen verstoßen. Wenn Sicherheitsbehörden nicht reagierten oder nur verzögert, sende das Signale in eine Szene, die sich dadurch legitimiert fühle.
Tägliche Gewalt durch Coronaleugner
Zugleich sei es wichtig, nicht allein auf die Demonstrationen zu schauen, sondern auch auf den Alltag.
Zum Beispiel, wenn mobile Impfteams oder auch Ärzt*innen bedroht würden. Ebenso wenn Menschen sich weigerten Maske zu tragen und darauf teils mit Gewalt reagieren und diese Gewalt durch die Maskenpflicht legitimieren wollten. "Das bereitet mir Sorgen," sagt Pia Lamberty.