Lange Zeit dachte man, dass das Gehirn quasi eine bloße Rechenmaschine ist und keine individuellen Merkmale aufweist. Schweizer Forscher haben jetzt bewiesen, dass die Anatomie menschlicher Gehirne sehr individuell ist. Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, warum jedes Hirn einzigartig ist und was das für uns bedeutet.

Eine Kombination aus nur wenigen Merkmalen eines menschlichen Gehirns genügt, um ein Individuum zu identifizieren, das konnte ein Forscherteam um den Neuropsychologen Lutz Jäncke von der Universität Zürich in einer Studie zeigen. 

Jedes Gehirn ist einzigartig

Die Wissenschaftler haben dafür die Gehirne von 191 Personen jeweils drei Mal innerhalb von zwei Jahren auf eine Vielzahl von Merkmalen untersucht, darunter etwa Gewicht, Volumen oder die Dicke der Hirnrinde.

"Alles was wir machen, hinterlässt eine Spur im Gehirn."

Dass jedes Gehirn individuell ist, liegt an einem Zusammenspiel unsere Gene und der Art, wie wir leben, erklärt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Die grobe Struktur ist erst mal genetisch festgelegt, aber die Details – vom Gesamtgewicht bis hin zu jeder einzelnen Zelle - verändern sich durch das was wir tun, durch unsere Art zu leben. Das ist wie ein Fingerabdruck erklärt er: Der ist ganz individuell, kann sich aber verändern - etwa wenn wir uns in den Finger schneiden oder durch die Arbeit schwielige Finger bekommen. 

Profisportler oder -musiker etwa weisen ganz spezielle anatomische Eigenschaften in besonders stark beanspruchten Hirnregionen auf. Aber auch vorübergehende Ereignisse formen das Gehirn: Wenn wir uns einen Arm brechen und der ruhig gestellt werden muss, beschreibt Henning Beck als Beispiel, dann bildet sich das für die Steuerung des Armes zuständige Hirnareal zurück.

Unser Gehirn entwickelt sich das ganze Leben lang

Das menschliche Gehirn braucht im Vergleich zu anderen Lebewesen sehr lange zum Entwickeln, sagt Henning Beck – etwa im Alter von 20 Jahren ist seine volle Leistungsfähigkeit erreicht. Und es entwickelt sich immer weiter, ergänzt er, es hört niemals auf. Mit 80 haben wir also ein anderes Gehirn als mit 30.

"Wenn ich mein Gehirn gut nutzen will, dann muss ich das häufig tun."

Das bedeutet auch: Wir können und sollte es trainieren. Wenn ich gute Leistungen von meinem Hirn will, so Henning Beck, dann muss ich es auch benutzen: "Je mehr ich das Gehirn nutze, wenn ich es abwechslungsreich nutze, wenn ich viel Musik spiele, wenn ich viel Radio höre, wenn ich viel Bücher lese - das alles hinterlässt eine Spur im Gehirn.

Mehr zum Thema Gehirn:

Shownotes
Neurowissenschaften
Unser Gehirn ist wie ein Fingerabdruck
vom 11. August 2018
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler