Die Piraten-Partei hat es schon mal versucht, irgendwie ist aber nie was daraus geworden: Liquid Democracy. Mick Sangiacomo aus Berlin glaubt aber trotzdem noch daran. Mit einem kleinen Team entwickelt er Licracy, eine App für Liquid Democracy.

Stellt euch vor, ihr könntet bei jeder Abstimmung im Bundestag mitreden. Und wenn ihr das nicht wollt, etwa weil ihr euch in dem Thema nicht so auskennt oder gerade Besseres vorhabt, könntet ihr eure Entscheidung an jemanden delegieren. 

"Die Idee von Liquid Democracy ist, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft sich an allen Entscheidungen beteiligen können."
Mick Sangiacomo, Entwickler der App Licracy

Liquid Democracy denkt repräsentative Demokratie weiter

Das ist so ähnlich wie die direkte Demokratie in der Schweiz, erklärt Mick, mit dem Unterschied, dass man sich nicht selbst entscheiden muss und seine Entscheidung stattdessen jemandem anderen übertragen kann. Anders als bei einer Bundestagswahl ist die Wahl deiner Stellvertreter dabei nicht an Wahlperioden gebunden, sondern du kannst das jederzeit machen.

"Ich finde es sehr schwer, in der Wahlkabine ein Kreuz zu machen, das die Fragen der folgenden vier Jahre beantwortet."
Mick Sangiacomo, Entwickler der App Licracy

Deshalb arbeitet Mick zusammen mit seinem vierköpfigen Team an der App Licracy. Die spielt die Prinzipien der Liquid Democracy einfach mal durch, erklärt er. Sie testet so, wie Liquid Democracy die aktuelle Politik verändern würde. 

Virtuell Abstimmungen im Bundestag verändern

Die Abstimmungen im Bundestag werden dort eingepflegt, die User können dann selbst entscheiden oder eben delegieren. Dabei können sie ihre Stimme nicht nur an eine Partei, sondern an mehrere übertragen, an eine Wunschkoalition sozusagen, oder an einzelne Politiker, eine NGO oder Freunde.

Schaubild Funktionsweise Licracy
© licracy.com
So funktioniert Licracy

Erst mal sind die Abstimmungen nur fiktiv, aber Mick ist überzeugt, dass die App die Politik auch beeinflussen könnte:

"Wenn wir irgendwann sehr viele User haben, dann kann das schon passieren, dass wir großen Einfluss auf die politische Realität haben."
Mick Sangiacomo, Entwickler der App Licracy

Die App soll also die Vorteile von Liquid Democracy deutlich machen und eine Alternative zu Volksentscheiden aufzeigen. Die haben seines Erachtens nämlich auch Nachteile, weil sich oft nur ein begrenztes Klientel daran beteiligt und einige Menschen Volksentscheide als Protestwahl nutzen. 

Dem Licracy-Team geht es dabei auch um unsere Verantwortung, sagt Mick. Denn Demokratie heiße nicht nur Bürgerbeteiligung, sondern auch Bürgerverantwortung.

"Allein die Möglichkeit, abstimmen zu können, bringt mich in eine Situation, Verantwortung zu übernehmen. Weil ich kann nachher nicht sagen: Das haben andere entschieden!"
Mick Sangiacomo, Entwickler der App Licracy

Mit der App können die User nicht nur testen, wie ihre Stimmen das Abstimmungsergebnis verändern würden. Man sieht damit außerdem, was im Bundestag überhaupt passiert. Viele Entscheidungen, die uns betreffen, bekämen wir so ja meist gar nicht mit, sagt Mick. Außerdem soll man die App dazu nutzen können, in eigenen Gruppen Abstimmungen zu halten - zum Beispiel mit Freunden, im Verein oder unter Kollegen. Und das ist dann ganz real.

Die Beta-Version von Licracy ist für Juni 2018 geplant. Wer als Tester von Anfang an dabei sein will, kann sich bei Mick und seinem Team dafür melden.

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Shownotes
Politik
Liquid Democracy im Test
vom 29. April 2018
Moderation: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Mick Sangiacomo, App-Entwickler