Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und die AKP stehen für eine Politik des "Weiter so", die prokurdische Oppositionspartei HDP setzt auf Veränderung. Emre und Ensar haben uns erzählt, warum sie sich für jeweils eine der Parteien engagieren.

Wenn am Sonntag in der Türkei die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden, haben die Türken in Deutschland bereits abgestimmt. Ausgezählt aber wird zum Schluss. So sehen die Prognosen Erdogan und die AKP zwar vorne, die Stimmung im Land ist aber gespalten, berichtet Istanbul-Korrespondenten Christian Buttkereit. So sei eine absolute Mehrheit unwahrscheinlich und auch neue Koalitionsbündnisse seien möglich. 

Christian Buttkereit, Korrespondent in Istanbul
​"Der Rückhalt für Erdogan ist größer als der für seine Partei, die AKP."​

Bei Emre und Ensar gehen die Meinungen weit auseinander. Beide sind in Deutschland aufgewachsen, leben in Norddeutschland und sind im Wahlkampf engagiert. Ihre Wahlempfehlung jedoch fällt sehr unterschiedlich aus, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Nil Idil Cakmak.  

Wahlmotive: Freiheit vs. Sicherheit

Ensar hat seine Stimme für die Türkei-Wahl bereits abgeben. Er ist überzeugtes AKP-Mitglied, auch weil die Partei islamisch-konservative Werte vertrete. Für den 26-jährigen steht Erdogan für eine moderne Türkei, für den Kampf gegen den Terror und den Aufbau eines Sozialstaates. Für ihn ist Erdogan mehr als nur ein Politiker.

"Ich sehe Erdogan als den Anführer der Türken und nicht so sehr als einen Politiker."
Ensar, lebt in Deutschland und wählt in der Türkei

Sollte Erdogan wiedergewählt werden, will er das Präsidialsystem durchsetzen, dies bedeutet eine Personalunion von Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber.

10-Prozent-Hürde und Kandidat hinter Gittern

Ganz anders bei Emre, er ist 22, studiert Fahrzeugbau in Norddeutschland und engagiert sich im Wahlkampf der prokurdischen Partei HDP, auch wenn er selbst nicht wählen kann. Als er sich in Deutschland hat einbürgern lassen, hat er seine türkische Staatsbürgerschaft abgeben müssen.

"Für mich steht die HDP für eine Partei, die sich einsetzt für Frieden, für ein Ende des Kurdenkonflikts in der Türkei, für ein Ende irgendwelcher Einsätze im Ausland."
Emre, lebt in Deutschland und unterstützt die HDP
HDP Anhängerinnen in Köln
© dpa
Anhängerinnen der Oppositionspartei HDP bei einer Demonstration in Köln

Um ins Parlament einzuziehen, müsste die HDP eine 10-Prozent-Hürde erreichen. Spitzen-Kandidat ist Selahattin Demirtas. Bei der vergangenen Wahl konnte er mit seiner Partei die absolute Mehrheit Erdogans kippen. Seit einem Jahr sitzt er im Gefängnis, ihm werden Verbindungen zur kurdischen PKK vorgeworfen. Für Emre wäre es der Idealfall, wenn die AKP und Erdogan die Wahlen nicht gewinnen würde. Er glaubt, dass die Opposition gute Chancen hat und wünscht sich eine freie Türkei.

"Wo sich die Menschen jeder Herkunft, jedes Glaubens, jeden Geschlechts und auch Menschen, die nicht gläubig sind auch, sich einem guten Leben widmen können. "
Emre, lebt in Deutschland und unterstützt die HDP

Das Thema Identität spielt sowohl für Ensar und Emre eine Rolle. Wie, das zeigt sich auch am Beispiel des Treffens der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Erdogan. 

Identität, Nationalspieler & Erdogan

Ensar fühlt sich in Deutschland nicht akzeptiert und sieht die Türkei als seine Heimat. Die Kritik an den beiden Nationalspielern empfindet er als besonders ungerechtfertigt: "Sie spielen für die deutsche Nationalmannschaft. Also, die haben sich quasi auch integriert." Emre hingegen will sich nicht als nur Türke oder Deutscher eingeordnet sehen. Zum Treffen der Nationalspieler mit Erdogan sagt er: Sie hätten als Personen des öffentlichen Lebens verantwortlicher handeln müssen.

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Sowohl Ensar als auch Emre wünschen sich eine gute Zukunft für die Türkei. Ensars Prognose für eine Zukunft mit der AKP in der Regierung: "Die Türkei wird weiter wachsen, weiter modernisiert. Der Terror wird weiter ausgelöscht."

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Shownotes
Türkei-Wahlen
Entscheidung über die Zukunft der Türkei
vom 22. Juni 2018
Moderator: 
Thilo Kahn
Gesprächspartnerin: 
Nil Idil Cakmak. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin