Wir ziehen uns eine Serie nach der anderen rein, verlassen tagelang das Bett nicht mehr oder versacken jeden Abend in einer anderen Bar. Wir alle haben Strategien, um unangenehme Gefühle wie Einsamkeit, Angst oder Traurigkeit zu verdrängen. Timur erzählt in dieser Ab 21, warum er sich selbst zwar als "Meister der Verdrängung" bezeichnet, ihn das Verdrängte aber immer wieder einholt. Außerdem erklärt ein Psychiater, wie wir einen Mittelweg zwischen Verdrängen und Verarbeiten finden.

"Wahrscheinlich verdränge ich jeden Tag etwas."
Timur über sich

Gerade verdrängt Timur, dass er sein Studium mal zu Ende bringen sollte, erzählt er. Denn er hat Angst vor dem, was ihn danach erwartet. Von Steuern, Versicherungen und der Verantwortung, will er im Moment noch nichts wissen. "Dann wird es richtig ernst und dann muss ich Entscheidungen treffen, die wirklich den Rest meines Lebens beeinflussen", erklärt er.

Dabei weiß Timur genau: Wenn er jetzt verdrängt, dann brechen seine Probleme irgendwann umso stärker über ihn herein. Timur selbst beschreibt das Verdrängen als eine Kammer, die man immer weiter vollstopft – solange, bis sie irgendwann platzt.

Timur
© Timur
Timur sagt, dass er ständig Dinge verdrängt.

Wann uns Verdrängen guttut

"Es gibt ganz Vieles, was wir verdrängen müssen, sonst könnten wir als Menschen gar nicht funktionieren", sagt Jan Kalbitzer, der Leiter der Stressmedizin der Oberberg Kliniken in Berlin. Im Podcast erklärt er, wann es gut ist, Dinge zu verdrängen, wie wir ungesundes Verdrängen erkennen können und verrät, wie wir mit Verdrängtem, das wieder hervorkommt, umgehen können.

Mehr zum Thema:

Wissenswertes übers Verdrängen:

  • Der Psychoanalytiker Sigmund Freud beschrieb die Verdrängungslehre erstmals im Jahr 1914 und nannte sie "den Grundpfeiler, auf dem das Gebäude der Psychoanalyse ruht." Verdrängung bedeutete für ihn das Abschieben unangenehmer Erfahrungen ins Unbewusste. Inzwischen sind sich Forschende uneins darüber, ob es sich bei der Verdrängung um eine unbewusste oder eine bewusste Entscheidung handelt. Einig sind sie sich darin, dass es sich um einen lebensnotwendigen und in vielen Fällen sinnvollen Abwehrmechanismus unserer Psyche handelt.
  • Macht Verdrängen uns krank? Diese Theorie haben Forschende der Universität Jena 2012 in einer Meta-Analyse untersucht. Ihr Ergebnis: Wenn wir negative Gefühle verdrängen, leiden wir häufiger unter bestimmten Krankheiten wie beispielsweise erhöhtem Blutdruck. Wird dieser chronisch, kann er wiederum schwerwiegende Folgeerkrankungen verursachen, zum Beispiel Herzerkrankungen oder Nieren- und Augenschäden. Für andere Krankheiten, wie etwa Krebs, konnten die Forschenden keinen Zusammenhang zwischen der Unterdrückung von Emotionen und dem Risiko zu erkranken, feststellen.

Lasst euch helfen!

Bestimmte Dinge beschäftigen euch im Moment sehr? Ihr habt das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn ihr euch im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen könnt oder möchtet, findet ihr hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

  • Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreicht ihr rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen ihr über eure Sorgen und Ängste sprechen könnt. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.
  • Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.
  • Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
  • Hier findet ihr eine Übersicht von Telefon- und Online-Beratungen in Deutschland: suizidprophylaxe.de.

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Shownotes
Psyche
Was Verdrängen mit uns macht
vom 01. September 2021
Moderator: 
Dominik Schottner
Gesprächspartner: 
Timur
Gesprächspartner: 
Jan Kalbitzer, Leiter der Stressmedizin der Oberberg Kliniken in Berlin
  • Timur erzählt, warum er es überhaupt nicht gut findet, wenn er Dinge verdrängt – und es trotzdem immer wieder macht.
  • Jan Kalbitzer ist Facharzt für Psychiatrie und erklärt, wie wir einen gesunden Mittelweg zwischen Verdrängung und Vergegenwärtigung von emotionalen Erlebnissen finden.