Beleidigungen, Mobbing und Schläge. Für Lehrer in Deutschland ist das bereits trauriger Alltag. Vor allem junge Lehrer fühlen sich oft allein gelassen und haben Angst, Gewalttaten auch vor Gericht zu bringen.
Die Forsa-Studie über die Gewalt gegen Lehrer im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung kommt zu dem Ergebnis, das die Hälfte der Lehrkräfte psychische Gewalt an ihrer Schule erlebt hat. Jeder Fünfte war sogar schon selbst Opfer von gewalttätigen Handlungen.Trotzdem haben viele Lehrerinnen und Lehrer das Gefühl, dass Gewalt gegen sie oder Schüler immer noch ein Tabuthema ist.
Althergebrachter Autoritätsbegriff verhindert offene Diskussion
Jeden Tag werden an deutschen Schulen Lehrer beleidigt, bedroht, mit Fotos, Filmen und Postings im Netz gemobbt oder mit Sachen beworfen und geschlagen. Sechs Prozent haben physische Gewalt am Eigenen Leib erfahren.
“In meiner fünften Klasse hatte ich einen Schüler, der seine Hausaufgaben zum wiederholten Mal nicht gemacht hat. Daraufhin konfrontierte ich ihn damit. Er tickte dann völlig aus und warf mit einem Radiergummi und einem Lineal nach mir.“
Obwohl das Problem offenkundig ist und alle darüber Bescheid wissen, ist es immer noch ein Tabuthema. Aus diesem Grund wollte der Referendar einer Sekundarschule uns gegenüber auch anonym bleiben und war sich unsicher, wie er mit dem Vorfall umgehen solle. Sobald er das Thema bei Kollegen anspreche, ernte er zurückhaltende Reaktionen nach dem Motto: "Hat er etwa keine Autorität?".
Deswegen hat er nicht seine Kollegen, sondern die Eltern des Schülers informiert. Die Eltern reagierten aber ungehalten, drohten mit einem Anwalt und hätten die Rollen von Täter und Opfer vertauscht. Für sie sei es eindeutig gewesen, dass der Lehrer ihr Kind unerlaubterweise provoziert hätte.
Eltern drohen mit dem Anwalt
Immer wieder bauen Eltern von gewalttätigen Schülern eine Drohkulisse auf, in der ein Anwalt die entscheidende Rolle spielt. Nur die wenigsten wollen sich auf einen Rechtsstreit einlassen. Die Angst ist groß, dass die Lehrerkollegen von dem Fall erfahren. Gerade einmal 7 Prozent der Fälle werden angezeigt.
Wenn Lehrer aus nachvollziehbaren Gründen den Weg vor Gericht scheuen, können sie Folgendes tun: Ruhe bewahren, direkt die Kollegen und vor allem die Vorgesetzten informieren, ein Gedächtnisprotokoll erstellen und dann auf die Unterstützung der Schulleitung hoffen. In manchen Fällen unternehme die Schulleitung aber nichts, argumentiere mit einem althergebrachten Begriff von Autorität und wolle den Vorfall lieber unter den Teppich kehren.
Hilfsangebote für Lehrer sind Mangelware
In solchen Situationen könnten an der Schule angestellte Schulpsychologen den betroffenen Lehrern helfen. Doch von ihnen gibt es viel zu wenige, und die angebotenen Anti-Aggressions-Trainings richten sich häufig nur an Schüler und nicht so sehr an die Kommunikation zwischen Schüler und Lehrer. Bildungspolitiker könnten entsprechende Maßnahmen beschließen, die junge Lehrkräfte in diesen Konfliktsituationen unterstützen.