Politisch korrekte Sprache ist meistens einfach eine Form von Höflichkeit und Respekt. Wie fast jeder kulturelle Wandel sorgt auch dieser für Übertreibungen und Unbehagen.

Viele Menschen in Deutschland achten bei ihrer Sprache nicht auf politische Korrektheit. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hat das ergeben (wir haben darüber berichtet). Auch geben die meisten an, noch nie auf politisch korrekte Sprache hingewiesen worden zu sein.

Drei Vorschläge:

1. Höflich und respektvoll sein

Es gibt gute Gründe, auf Political Correctness zu achten - das wird schnell klar, wenn man diese durch andere Begriffe ersetzt, etwa: Höflichkeit, Respekt, Achtung.

Ein bekanntes Beispiel ist die Frage, ob Roma und Sinti "Zigeuner" genannt werden sollten oder nicht. Jochen Hörisch, Professor für Neuere deutsche Literatur und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim, sagt: Eher nicht.

"Wenn eine Gruppe nicht mit diesem Titel angesprochen werden will, sollte man das respektieren." Selbst, wenn die Gruppe sich selbst als "Zigeuner" bezeichnet, aber nicht will, dass die Außenbezeichnung so lautet, sollte das respektiert werden, sagt Hörisch.

Auch hält er es für legitim, Menschen für ihre Sprache zu kritisieren, etwa den AfD-Politiker Gauland, der fordert, eine Politikerin "in Anatolien zu entsorgen". "Da sieht man sehr deutlich, dass der Mann unerzogen ist", sagt Hörisch, "da sind elementare Gebote der Höflichkeit und des Umgangs ignoriert."

2. Nicht übertreiben

Hörisch warnt andererseits davon, zu übertreiben: "Es wird komisch und grotesk, wenn jemand seine Rede mit 'Liebe Gästinnen und Gäste' eröffnet." Laut Hörisch würde man in solchen Fällen zwar nicht einer bestimmten Gruppe, dafür aber der Sprache gegenüber gewalttätig.

Ebenfalls hält er nichts davon, Speisekarten mit dem Begriff "Zigeunerschnitzel" oder Kinderbücher mit dem Wort "Neger" zu verbannen. Vielmehr könnten sie versehen werden mit dem Hinweis, "dass es schrecklicherweise über längste Zeiten vollkommen normal war, von Zigeunern, Negern und dergleichen zu sprechen."

Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Universität München, pflichtet Hörisch bei. Er verweist auf die USA, in denen teilweise übertrieben vor bestimmten Ausdrücken in Büchern gewarnt wird. Er sieht die Gefahr, dass man nicht mehr in der Lage ist, einen Satz zu kontextualisieren - weil er, durch die vorangegangene Warnung, gar nicht gelesen wird.

3. Gelassen bleiben

Immer wieder wird die Befürchtung geäußert, "dass man ja gar nichts mehr sagen dürfe". Auch manche Politiker wie Trump und Vertreter der AfD machen damit Politik. Armin Nassehi hält das für unbegründet.

Erstens betrachtet er es als kulturellen Fortschritt, manche Begriffe nicht mehr zu verwenden, etwa die, die bestimmte Gruppen verletzen oder fachlich einfach nicht richtig sind. Zum Beispiel ergibt es wenig Sinn, eine aus Frauen bestehende Gruppe, mit der männlichen Form eines Begriffes anzusprechen oder zu beschreiben.

Zweitens würden die meisten generell wenig Berührungspunkte mit politisch korrekter Sprache im Alltag haben (wie auch die aktuelle Umfrage zeigt). Ein solcher sprachlicher Wandel würde viel mehr "langsam in die Gesellschaft hinein diffundieren".

Die Menschen würden feststellen, dass sie immer weniger zusammenzucken, wenn im Wahlkampf von fast allen Parteien von "Wählerinnen und Wählern" die Rede ist.

Sein Fazit: Es gibt kein Grund zur Panik. Gelassen bleiben.

Shownotes
Sprache
Warum wir Political Correctness brauchen, damit aber nicht übertreiben sollten
vom 16. September 2017
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Jochen Hörisch, Professor für Neuere deutsche Literatur und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim / Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Universität München